Die Berliner Kitas zukunftsfest und attraktiv gestalten

1. Für ein vertrauensvolles Miteinander

In Berlin herrscht nach Jahren rot-rot-grünen Missmanagements eine soziale Notlage. Nicht nur das schlagzeilenbeherrschende Thema Mietenwahnsinn, sondern auch die Versorgungslage mit Kindergartenplätzen gibt Grund zur Sorge. Doch anstatt das Problem zu lösen, greift der Senat zu nichtsnutziger Symbolpolitik und spricht Kitaplatzgarantien für Kinder ab dem ersten Geburtstag aus.

Wir glauben: Einklagen kann man nur, was es gibt – und fordern den Senat auf, seine leeren Versprechen zu beenden. In der gegenwärtigen Lage sollten alle Bestrebungen des Senats darauf hinauslaufen, neue und mehr Kitaplätze zu schaffen und es privaten Trägern ermöglichen, die Situation zu verbessern anstatt in ihnen Konkurrenten zu sehen

Wir fordern den Senat auf, Direktiven an Erzieher wie sie in der Broschüre „Informationen über Zuzahlungen für die der RV Tag (Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen) beigetretenen Kita Träger“ vom August 2019 formuliert wurden zurückzuziehen.

Wir glauben, dass eine derartige angeordnete Instrumentalisierung der Erzieher für die eigene politische Agenda die Vertrauensbeziehung zwischen Erziehern und Eltern zerstört., die doch so wichtig für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zum Wohle des Kindes ist.

Unserem Verständnis nach gebührt jedem Kind die bestmögliche Betreuung und Förderung seiner individuellen Stärken. Wie diese Betreuung auszusehen hat, kann nur im konkreten Einzelfall erörtert werden und sollte nicht von den Ab- sichten des Senates zur politischen Profilierung vorherbestimmt werden.

Darüber hinaus glauben wir, dass die Kinderbetreuung in einer freien Gesellschaft auf einer Dreiecksbeziehung zwischen Institutioneller Grundlage, den einzelnen Erziehern und den Erziehungsberechtigten aufbaut. Der Versuch des Senats, dieses Gleichgewicht zuungunsten der Eltern zu verschieben und selbst einen größeren Einfluss auf die Erziehung der Kinder zu erlangen, stellt in unseren Augen eine bedenkliche Herrschaftsanmaßung dar, die es zu kritisieren gilt.

2. Finanzierung und Beiträge

Kinderbetreuung nimmt im Leben eines jeden Einzelnen aber auch im Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Reproduktion eine zentrale Position ein. Eine große Herausforderung für die Betreiber von Kindergärten wie für Erzieher stellt die finanzielle Ausstattung im sozialen Sektor dar. Dabei wächst das Problem nicht auf dem Boden einer mangelnden Solidarität. Der Schwierigkeit, diese Spannung aufzulösen, entledigt man sich aber ganz sicher nicht, indem man es den Staat machen lässt und so die „Reproduktionskosten“ durch eine ineffiziente, und teure Bürokratie weiter in die Höhe treibt. Ziel staatlichen Handelns muss es unbedingt sein, eine steuerliche Verteuerung des Betriebs von Kindertagesstätten zu entgegenzuwirken ­– andernfalls leiden insbesondere Geringverdiener.

Wir fordern daher im Sinne des Erfolgsmodells der sozialen Marktwirtschaft ein Nebeneinander privaten und staatlichen Handelns.

Die Preisbildung privater Kindertagesstätten erfolgt am freien Markt.

Wir fordern weiterhin die Diskriminierung in der Förderpraxis zu beenden. Entsprechende Fördermaßnahmen müssen Träger-unabhängig gewährt werden und haben subjektbasiert zu erfolgen.

Des Weiteren streben wir eine Abschaffung des in § 23, Abs. 1 KitaFöG geforderten Eigenanteils bei freien Trägern an.

Strafzahlungen der Jugendämter sollten den betroffenen Familien zugutekommen und nicht zur Finanzierung der Gerichte herangezogen werden.

3. Weil Qualitätsentwicklung auch Entbürokratisierung bedeutet

Bürokratische Hürden beim Bau von Kindertagesstätten müssen abgebaut werden. Bei allen Problemen stehen bereits heute finanzielle Ressourcen zur Schaffung neuer Kapazitäten zur Verfügung. Bei der Ausschreibung der entsprechenden Projekte werden die Betriebe jedoch mit einer Überfrachtung problematischer Anforderungen konfrontiert. Zur Beschleunigung des Baus neuer Kindertagesstätten müssen diese Anforderungen daher dringend verringert werden. Der Aufbau neuer Kapazitäten hat höchste Priorität. Darüber hinaus bedarf es eines Ausbaus der Kapazitäten in den Bauaufsichtsämtern bei gleichzeitiger Sensibilisierung des Personals.

Die Arbeit von Erziehern ist anspruchsvoll und kraftraubend – sie lässt wenig Zeit, um die stetig steigende Menge bürokratischer Herausforderungen noch während der Arbeitszeit zu bewältigen. Dieser Trend muss schnellstens gestoppt werden!

Kostenheranziehung bei Heim- und Pflegekindern abschaffen

Die Jungen Liberalen fordern die Abschaffung der in § 94 Abs. 6 S. 1 SGB VIII geregelten Kostenheranziehung bei Heimkindern von derzeit drei Viertel des Einkommens.

Deine Rente, meine Rente

Wir Jungen Liberalen Berlin fordern eine grundsätzliche Reform und damit einhergehend eine deutliche Erweiterung der Möglichkeiten des Rentensplittings.Unter Rentensplitting versteht man das Weitergeben von erworbenen Renten-

punkten an eine andere Person. Im Status Quo kann das Rentensplitting nur unter bestimmten, sehr engen Voraussetzungen stattfinden: es bedarf einer Ehe / eingetragenen Lebenspartnerschaft, es müssen 25 Erwerbsjahre bzw. Beitragsjahre vorliegen und es muss eine gemeinschaftliche Erklärung der Ehe- / Lebenspartner abgegeben werden, in der sich diese für das Rentensplitting entscheiden. Man kann sich allerdings erst nach dem Ausscheiden beider Ehepartner aus dem Erwerbsleben für das Rentensplitting entscheiden und beide Partner müssen aus bestimmten Geburtenjahrgängen (ab 1962) stammen. Zusätzlich kann man Rentenpunkte nicht partiell übertragen, sondern kann sich nur dafür entscheiden die kompletten erworbenen Rentenansprüche nach dem Erwerbsleben untereinander aufzuteilen.

Wir Junge Liberale Berlin fordern deshalb, dass die Möglichkeit, sich für das Rentensplitting zu entscheiden, deutlich vereinfacht wird. Hierzu fordern wir, dass sich Ehepaare schon während ihrer Erwerbszeit jederzeit für ein Splitting

ihrer gerade erworbenen Rentenpunkte entscheiden können. So können während einer Ehe oder Partnerschaft nicht nur Ansprüche gegenüber dem Partner für die Zeit nach Ehe, Tod oder in der Rente erworben werden, sondern es werden  direkte Rentenansprüche durch beide Partner erworben. Bei der Wahl des Rentensplittings bestehen im Umkehrschluss für die jeweils ausgewählten Zeiträume dann zukünftig keine Ansprüche in Form von Mütterrente mehr.

Insbesondere da unentgeltliche Arbeit, in Form von Haushalt, Betreuung Angehöriger oder Betreuung von Kindern, häufig mit längeren Erwerbsunterbrechungen zusammenhängt, können während dieser Zeiten nur von einem Partner Rentenpunkte erworben werden. Ein reiner Verweis auf Ansprüche gegenüber dem Ehe- oder Lebenspartner im Alter, begründet keine ausreichende Sicherheit für den anderen Partner. Wir Jungen Liberalen Berlin schlagen deshalb folgendes, erweitertes Modell eines Rentensplittings vor:

Erworbene Rentenpunkte sollen zu jedem Zeitpunkt während oder nach dem Erwerbsleben irreversibel an Verwandte ersten Grades, Geschwister, Eheleute, eingetragene Lebenspartnerschaften sowie Menschen in einer eheähnlichen Lebenspartnerschaftweitergegeben werden können.

Mit erstmaligem Beziehen der Rentenzahlung ist das Splitting nicht mehr anwendbar.

 

My Gender, My Words

Die Jungen Liberalen Berlin treten für Vielfalt, Chancengleicheit und Gleichberechtigung ein. Wir erkennen an, dass sich gesellschaftliche Minderheiten durch die deutsche Sprache ausgeschlossen und diskriminiert fühlen können.

Darum akzeptieren die Jungen Liberalen Berlin jede Form, welche die Gleichberechtigung der Geschlechter verfolgt, wie etwa durch das Nutzen des generischen Maskulinums oder Femininums, eines Unter- oder Querstrichs, eines Großbuchstabens oder eines Sterns. Ob man gendern möchte, soll jeder und jede jedoch frei entscheiden dürfen. Das Nutzen oder Nichtnutzen von Sprachelementen darf von den Inhalten eines Textes nicht ablenken.

Gleichzeitig lehnen wir jeden Zwang zum Gendern ab. Die eigene Sprache ist Ausdruck eines oder einer Einzelnen. Vorschriften, wie etwa ein Genderzwang an Berliner Universitäten, müssen abgeschafft werden.

ECKPUNKTEPAPIER: LIBERALE ANSÄTZE ZUR WOHNUNGS- UND OBDACHLOSIGKEIT IN BERLIN

Präambel

Die Berliner Bevölkerung wächst jedes Jahr um ca. 50.000 Menschen. Der enorme Bevölkerungszuwachs hat viele Folgen für Politik, Verwaltung und die Bürgerinnen und Bürger selbst. Insbesondere die Wohnungsnot verschärft sich in der Hauptstadt, sodass immer mehr Berlinerinnen und Berliner von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bedroht oder bereits betroffen sind.

Uns Freien Demokraten ist daran gelegen, die vielschichtigen Probleme im Bereich der Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit in Berlin aktiv anzugehen. Mit dem vorliegenden Eckpunktepapier zeigen wir liberale Lösungswege auf.

Die angespannte Situation am Wohnungsmarkt führt zu Verdrängungseffekten und Wohnraumverlust. Wer seine Wohnung einmal verloren hat, hat es so schwer wie lange nicht mehr, neuen Wohnraum zu finden. Neben steigenden Wohnungslosenzahlen wird seit Jahren auch die Obdachlosigkeit im Berliner Stadtbild immer präsenter.

Übermäßige Bürokratie sowie unklare Kompetenzen in der Verwaltung zwischen Bundes-, Landes- und Bezirksebene und zwischen einzelnen Behörden stellen das Hilfesystem vor zusätzliche Herausforderungen.

Wir behandeln in diesem Papier sowohl Wohnungs- als auch Obdachlosigkeit, da beides nur schwer voneinander zu trennen ist und die Grenzen zwischen Wohnungs- und Obdachlosigkeit fließend sind:

„Als wohnungslos werden alle Menschen bezeichnet, die über keinen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügen. Sie leben beispielsweise in einer Notunterkunft, einer stationären Einrichtung der Wohnungslosenhilfe oder übernachten in einer kommunalen Einrichtung. Wohnungslose Menschen schämen sich oft für ihre Situation und bemühen sich, nicht als wohnungslos erkannt zu werden. Deswegen fällt Wohnungslosigkeit in der Gesellschaft nicht unbedingt auf. […] Obdachlos sind Menschen, die keinen festen Wohnsitz und keine Unterkunft haben. Sie übernachten im öffentlichen Raum wie Parks, Gärten oder U-Bahnstationen.“

Ausgehend von liberalen Grundprinzipien – menschliche Würde, Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und Recht auf Sicherheit und Unversehrtheit – gehen wir die zunehmende Wohnungs- und Obdachlosigkeit ganzheitlich von verschiedenen Seiten an. Maßnahmen zur Verbesserung der Gesamtsituation auf dem Berliner Wohnungsmarkt sind dabei genauso von Bedeutung wie ein effektiveres Hilfesystem, eine funktionierende, bürgerorientierte Verwaltung mit klaren Zuständigkeiten sowie Nachbesserungen bei der Gesundheitsversorgung. Ein besonderes Augenmerk muss aus unserer Sicht auf dem Bereich der Prävention von Wohnungs- und Obdachlosigkeit liegen. Ein sicherer öffentlicher Raum, in dem sich alle Berlinerinnen und Berliner wohlfühlen, gehört ebenso zu unseren Zielsetzungen wie die Umsetzung innovativer Unterbringungskonzepte.

Kern des politischen Handelns muss aus unserer Sicht eine umfassende „Berliner Strategie“ zur Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit sein. Wenn wir Probleme offensiv angehen anstatt Lösungen auf die lange Bank zu schieben, wenn wir neue Wege ausprobieren und auf vielen Ebenen aktiv werden, können wir als Stadtgesellschaft vieles zum Besseren wenden und Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Berlin deutlich verringern.

Teil I: Prävention und Koordination

Bauen – Mieten – Wohnen

Wohnraum schaffen, Markt entlasten

Eines der drängendsten Probleme in unserer prosperierenden Stadt ist die zunehmende Wohnraumknappheit, aus der steigenden Mieten und Verdrängungsprozesse resultierenden. Diese verschärfte Situation auf dem Wohnungsmarkt betrifft die Berlinerinnen und Berliner generell, in besonderer Weise aber auch die Träger des Hilfesystems sowie von Wohnungslosigkeit bedrohte oder bereits betroffene Personen. Das Unterangebot an preisgünstigem Wohnraum hat für diese Menschen oft besonders gravierende Folgen: Mieten verteuern sich auch für einkommensschwache Mieterinnen und Mieter, was schnell zu Mietschulden und Wohnraumverlust führen kann. Die Wohnungssuche am angespannten Markt bleibt häufig erfolglos.

Eine erfolgreiche Prävention von Wohnungs- und Obdachlosigkeit ist daher nicht ohne die Verbesserung der Gesamtsituation denkbar. Dafür benötigt Berlin dringend eine neue Bau- und Wohnpolitik. Zehntausende neue Wohnungen müssen für die wachsende Stadt entstehen und möglichst alle Preissegmente abdecken. Nur so kann sich der Wohnungsmarkt in ganz Berlin wieder normalisieren. Die Jungen Liberalen Berlin setzen hierfür auf ein breites Paket an Maßnahmen:

Bauen:

-Bezahlbaren Wohnraum schaffen: Mix von städtischen und privaten Wohnneubauprojekten, neue Wohnungen durch Erschließung neuer Wohngebiete
-Baulückenkataster erstellen: Ausweisung von Baulücken und bebaubaren Flächen im privaten und öffentlichen Besitz, Grundstücke im bezirklichen Fachvermögen, leerstehende und verfallene Gebäude
-Flächenmanagement mit Nachverdichtung, Aufstockung und Dachgeschossausbau
-Niedrigere Mieten durch günstigeren Neubau: Entschlackung der Bauvorschriften ohne ein Herabsetzen der Mindeststandards bei Sicherheit und Brandschutz
-Günstigen Neubau durch innovative Systembauten und Nachnutzungskonzepte
-Senkung der Grunderwerbssteuer
-Wohnungsbaugenossenschaften aktiv städtische Grundstücke für den Neubau von Wohnungen zur Verfügung stellen und sie bei der Grundstücksvergabe im Vergleich zu städtischen Wohnungsgesellschaften nicht mehr schlechter stellen

Wohnen:

-Bei Wohngeldanträgen, die alle Mitglieder eines Haushalts einschließen (in Berlin 97 Prozent der Anträge in 2017), soll den wohngeldberechtigten Antragsstellerinnen und Antragsstellern bei maximaler Förderung automatisch die
-Hilfe der zuständigen Stelle vermittelt werden, um präventiv eine weitere Gefährdung des Mietverhältnisses und drohende Wohnungslosigkeit abzuwenden.
-Keine Kommunalisierung bestehenden Wohnraums: Das Vorkaufsrecht und ähnliche Instrumente schaffen keinen neuen Wohnraum und verschärfen so die Situation auf dem Wohnungsmarkt. Das hierfür verwendete Steuergeld muss zielgerichtet für die Schaffung neuen Wohnraums oder die Unterstützung sozial Schwächerer (Wohngeld) eingesetzt werden.

Marktsegment-Wohnungen

Wohnungen aus dem Bereich Geschütztes Marktsegment dürfen von Menschen bezogen werden, die sich auf dem Wohnungsmarkt nicht ohne fremde Hilfe mit Wohnraum versorgen können. Ein Rechtsanspruch auf Vermittlung besteht allerdings nicht. In Berlin wird die Vermittlung dieser Wohnungen von der Zentralen Koordinierungsstelle (Zeko) des Geschützten Marktsegments organisiert. Alle städtischen Wohnungsbaugesellschaften müssen ein gewisses Kontingent an diesen Wohnungen vorhalten. Schon seit Jahren wird dieses Kontingent von den Wohnungsbaugesellschaften kontinuierlich unterschritten. Die Auslastungsrate der zur Verfügung gestellten Wohnungen liegt bei 100 Prozent.

Für die kurzfristige Hilfe für von Obdachlosigkeit bzw. Wohnungslosigkeit betroffenen oder bedrohten Menschen ist es zum einen zwingend nötig, dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften ihren gemeinwohlorientierten Auftrag erfüllen und in ihren Immobilien und bei Neubauten die vereinbarte Anzahl an Wohnungen aus dem Geschützten Marktsegment anbieten. Zum anderen muss diese Anzahl erhöht und an die Bedarfe angepasst werden.

Hier muss ein zufriedenstellender Kompromiss zwischen der Obdachlosenhilfe und der allgemeinen Aufgabe der Wohnungsbaugesellschaften, ausreichend bezahlbaren Wohnraum für die Bevölkerung zu schaffen, geschlossen werden.

Trägerwohnraum schaffen und schützen

Genau wie im Bereich der Marktsegment-Wohnungen gilt es, das Angebot an sogenannten Trägerwohnungen – allen voran durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften – signifikant zu erhöhen. Als Trägerwohnungen werden Wohnungen bezeichnet, die von sozialen Trägern angemietet und von diesen ohne Gewinnerzielungsabsicht an anspruchsberechtigte Personen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten im Sinne der §§ 67 ff SGB XII untervermietet werden. Für wohnungslose Menschen sind diese angesichts des angespannten Wohnungsmarktes derzeit oft der einzig realistische Zugang zu Wohnraum.

Neben der Schaffung zusätzlichen Trägerwohnraums sind auch Reformen in Bezug auf dessen Nutzung dringend notwendig. So dürfen Trägerwohnungen nicht länger unter das Gewerbemietrecht fallen. Wir wollen stattdessen für von sozialen Trägern ohne Gewinnerzielungsabsicht vermieteten Wohnraum das Mietrecht für Wohnungen anwenden, das den Bewohnerinnen und Bewohnern eine höhere soziale Sicherheit bietet. Zudem dürfen Trägerwohnungen nicht länger als Zweckentfremdung von Wohnraum definiert werden.

Private Vermieter einbeziehen

Zahlreiche private Vermieterinnen und Vermieter in Berlin sind gern bereit, ihren Beitrag zu einem guten und sozialen Miteinander in der Stadt zu leisten. Um sowohl den Trägerwohnraum als auch das Angebot im Geschützten Marktsegment deutlich zu erhöhen, sollte sich der Berliner Senat privaten Vermietern gegenüber öffnen.

Ziel sollte eine gemeinsame Initiative von Senat und privaten Vermietern sein, die sich freiwillig bereit erklären, Trägerwohnungen und Wohnungen im Geschützten Marktsegment zu schaffen. Private Vermieterinnen und Vermieter, die sich an der Initiative beteiligen, sollen dauerhaft in die Planungen in diesen Bereichen einbezogen werden, etwa durch regelmäßige Koordinierungsrunden.

Offenheit für innovative Wohnmodelle

Die Akzeptanz innovativer bzw. alternativer Wohnkonzepte kann einen wichtigen Beitrag zur Linderung der Berliner Wohnungsnot leisten. Wohnmöglichkeiten, die platzsparend sind und zugleich eine ganz individuelle Art des Wohnens ermöglichen, begrüßen wir ausdrücklich.

Sogenannte Tiny Houses können auch in bereits dicht besiedelten Gebieten die Möglichkeit bieten, bezahlbaren Wohnraum in attraktiven Wohnlagen zu schaffen. Tiny Houses sind ökologisch nachhaltig und bedienen gleichzeitig den Unabhängigkeitsdrang von Individualisten. Sie lassen sich schnell errichten und bei Bedarf auch an andere Standorte verlegen.

Neuartige Konzepte von günstigem Wohnen stellen auch Wohngemeinschaften dar, die über kleine Schlafzimmer, aber große Gemeinschaftsräume verfügen. Um die Mieten gering zu halten, wird mit günstigen, langlebigen Materialien und in Modulbauweise gebaut. Diese in anderen Städten äußerst beliebten Wohnanlagen wären auch für viele Berlinerinnen und Berliner attraktiv und könnten einen Beitrag zur Bekämpfung der Wohnungsnot leisten.

Politische Planung, Verwaltung reformieren

Dauerhafte statistische Erhebungen

Damit Präventions- und Hilfsangebote zielgerichtet und effektiv gestaltet werden können, benötigen wir dringend eine zentrale Statistik zur Obdach- und Wohnungslosigkeit in Berlin. Die Freien Demokraten unterstützen daher die Bestrebungen des Senats, baldmöglichst mit statistischen Erhebungen zu beginnen. Eine derartige Statistik ist unverzichtbare Grundlage für die politische Prioritätensetzung im Land Berlin und in den Bezirken.

Diese Bedarfsanalyse ist für eine optimale Planung der Hilfeeinrichtungen und -angebote unerlässlich. Dazu brauchen wir demographische Daten sowie eine Analyse der Gründe des Wohnraumverlustes bzw. der Obdachlosigkeit. Zudem müssen im Zuge der Erhebung auch die zahlreichen verschiedenen Hilfsangebote aller öffentlichen, privaten und kirchlichen Träger erfasst werden. Die Erhebungen müssen in regelmäßigen Abständen fortgeführt werden.

Zugang zum Hilfesystem einfacher gestalten

Für Wohnungs- und Obdachlose ist ein einfacher und individueller Zugang zum Hilfesystem entscheidend. Vor allem der Zugang zu staatlicher Hilfe muss gewährleistet und bei Bedarf auch unverzüglich zugänglich gemacht werden.

Viele soziale Leistungen und Hilfen werden nicht abgerufen, weil die Verwaltungsvorgänge und Anträge zu kompliziert gestaltet sind. Wir fordern, dass sämtliche Formulare, Informationen und Hilfsangebote sowie jedweder Schriftverkehr möglichst einfach verständlich sein müssen. Dazu sollen alle genannten Materialien und Vorgänge vereinfacht, in einfacher Sprache und barrierefrei herausgegeben werden.

Zuständigkeiten und Verwaltungsabläufe generell neu regeln

Eine weitreichende Neuausrichtung des öffentlichen Verwaltungshandelns in Berlin ist längst überfällig. Der Bezirks- und Landesebene mangelt es an einer durchsetzungsfähigen Governance, die gesellschaftlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Herausforderungen wirklich Rechnung tragen kann. Zuständigkeiten-Wirrwarr und unklare Verantwortungsbereiche beherrschen das Verwaltungshandeln. Der Umsetzung politischer Ziele wird im Verwaltungshandeln nicht hinreichend Aufmerksamkeit geschenkt. Prioritäres Ziel sollte es daher sein, ein stringentes Steuerungsmodell in der öffentlichen Verwaltung anzuwenden, das

-die Umsetzung politischer Ziele sicherstellt,
-dabei Freiheiten in der Priorisierung der Umsetzung belässt,
-Entscheidungsfähigkeit und -verantwortung konsequent fördert,
-die Regeleinhaltung beim Verwaltungshandeln systematisch überwacht sowie
-die Ergebnisse und Leistungen des Verwaltungshandelns systematisch evaluiert.
-Verwaltungsintern ist verstärkt ein Cluster-Gedanke zu verankern, der abseits von Referaten und Dezernaten das fachbereichsübergreifende und interdisziplinäre Arbeiten und Entscheiden fördert und ermöglicht. Wir brauchen Verwaltungs-Cluster, die an den Herausforderungen und Problem Berlins ganzheitlich und umfassend arbeiten und offen sind für Expertinnen und Experten aus Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft.

Im Bereich der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe fordern die Freien Demokraten in diesem Zusammenhang eine „Berliner Strategie” mit einer zentralen Koordinierungsstelle auf Landesebene und zentralen Fachstellen der Wohnungssicherung in allen Berliner Bezirken.

„Berliner Strategie“ mit Koordinierungsstelle Wohnungslosigkeit

Wie in anderen Politikbereichen leiden auch Prävention und Hilfe bei Wohnungslosigkeit unter dem Berliner Grundproblem teilweise unklarer Zuständigkeiten zwischen Land und Bezirken sowie verschiedenen Herangehensweisen in den Bezirken. Dadurch existieren zahlreiche unterschiedliche Standards und Systeme innerhalb einer Stadt. Verantwortung wird allzu häufig hin- und hergeschoben, statt sie wahrzunehmen. Das wollen wir grundlegend ändern.

Zur effektiven Bekämpfung von Obdach- und Wohnungslosigkeit bedarf es einer „Berliner Strategie“ als landesweitem Gesamtkonzept, das von einer Koordinierungsstelle auf Landesebene fortlaufend geprüft und weiterentwickelt wird.

Senat, Bezirksämter und Jobcenter benötigen eine dauerhafte Koordinierung sowie aufeinander abgestimmte Strategien und Vorgehensweisen. Die berlinweite Strategie soll vom Land Berlin und den Berliner Bezirken gemeinsam mit Trägern der Wohnungslosenhilfe und wissenschaftlichen Experteninnen und Experten entwickelt werden. Nur mit einem übergreifenden Gesamtkonzept lassen sich Zuständigkeitszersplitterungen überwinden sowie sehr viel zielgenauere und koordiniertere Hilfsangebote entwickeln. Eines der wichtigsten Ziele der Berliner Strategie ist die Schaffung einheitlicher Standards bei Förderentscheidungen und Hilfsangeboten über Bezirksgrenzen hinweg. Gerade auch in sensiblen Fragen, wie die direkte Mietzahlung vom Jobcenter an die Vermieter, muss die Vorgehensweise vereinheitlicht werden, damit nicht der Eindruck willkürlicher Behördenentscheidungen entsteht oder die Qualität der Versorgung innerhalb Berlins vom Wohnsitz abhängt.

Die Koordinierungsstelle auf Landesebene soll dafür sorgen, dass Synergien zwischen Land, Bezirken und sozialen Trägern optimal genutzt werden und eine arbeitsteilige Struktur des Hilfsangebotes ermöglicht wird. Sie behält den Überblick über die gesamte Bandbreite an Angeboten und passt diese fortlaufend den lokalen Bedarfen an, die unter anderem auf Grundlage der Berliner Obdach- und Wohnungslosigkeitsstatistik ermittelt werden.

Zu den konkreten Aufgaben der Koordinierungsstelle gehören

-der Aufbau eines Netzwerks aus Bezirken, Land, freien Trägern und anderen Kooperationspartnern,
-die Gewinnung neuer Partner
-die zentrale Planung und Weiterentwicklung von Strategien gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit,
-das Beobachten und Analysieren der Situation von Menschen in Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit und die Entwicklung der Statistik
-die Weiterentwicklung des Hilfesystems in enger Abstimmung mit den sozialen Trägern etwa durch die Schaffung neuer oder Ausweitung bestehender Angebote für bestimmte soziale Gruppen (Frauen, Familien, Jugendliche, chronisch kranke Obdachlose etc.)

Die Koordinierungsstelle muss Senat und Abgeordnetenhaus regelmäßig Bericht erstatten.

Zentrale Fachstellen als One-Stop-Shops

Die Berliner Strategie soll nach einheitlichen Standards in allen Berliner Bezirken durch sogenannte Zentrale Fachstellen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit umgesetzt werden. Die Fachstellen fungieren als „One-Stop-Shops“ der Wohnungslosenhilfe. Sie sollen also als zentrale Anlaufstelle für Hilfesuchende alle relevanten Leistungen unter ein Dach bündeln (u.a. die Mieter- und Schuldnerberatung) und Teilkompetenzen aus dem ordnungsrechtlichen, sozialrechtlichen und dem wohnungsmarktlichen Bereich systematisch zusammenführen. Diese Teilbereiche sind für die Bearbeitung von Wohnungsnotfällen erforderlich, aber bislang über verschiedene Ressorts in der Bezirksebene verteilt. Damit wird das von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) empfohlene Fachstellenkonzept zur Gewährung von Hilfen unter einem Dach umgesetzt.

Ein besonderer Fokus soll neben der Wohnraumvermittlung sowie Unterbringung in öffentlichen Unterkünften in akuten Fällen hierbei auf der Prävention des Wohnungsraumverlusts liegen. Präventionsteams innerhalb der Fachstellen setzten hierfür geeignete Maßnahmen um, wie etwa die Einrichtung von Mietsicherungen und Gewährung von Darlehen bei Mietrückständen, aufsuchende Hilfe bei drohendem Wohnungsverlust, Beratung und Begleitung bei eintretender Wohnungslosigkeit. Bei Räumungsklagen sollen Amtsgerichte und Bezirke kooperieren, um möglichst eine Räumung zu verhindern oder sie zu verzögern, bis eine anknüpfende Unterbringung gesichert ist. Ein Frühwarnsystem an Berliner Gerichten soll Fälle erkennen, in denen Wohnungslosigkeit droht und gemeinsam mit den Präventionsteams verhindern, dass Menschen wohnungslos werden. Ein weiterer grundlegender Teil des Wohnungsnotfallhilfekonzeptes muss ein strategischer Ansatz für die Nachbetreuung sein, um eine dauerhafte Wohnraumsicherung zu garantieren.Kampf gegen Wohnungsverlust auf BundesebeneWohnungs- und Obdachlosigkeit sind wachsende gesellschaftliche Probleme, die nicht an Landesgrenzen Halt machen und auch auf Bundesebene politische Priorität erhalten müssen. Eine deutschlandweite Herangehensweise an die Problematik ist unumgänglich. So sollte etwa eine zentrale Stelle des Bundes eingerichtet werden, die Maßnahmen wissenschaftlich begleitet, statistische Erhebungen in eine bundesweite Wohnungsnotfallstatistik zusammenführt und die Entwicklung neuer Konzepte unterstützt.Unter Federführung der Bundesregierung sind regelmäßige Koordinierungsrunden zu Obdach- und Wohnungslosigkeit zwischen Bund, Ländern, Kommunen und freien Trägern zur Entwicklung klar definierter Ziele und Maßnahmen durchzuführen. Insbesondere wäre hierbei zu prüfen, welche Gesetzesänderungen auf Bundesebene notwendig sind, um Wohnraumverlust vorzubeugen und das Hilfsangebot zu entbürokratisieren.

Prävention durch Bildung

Jugendobdachlosigkeit bedarf einer besonderen Aufmerksamkeit. Minderjährige sind noch nicht in Lage, eigenverantwortlich für ihre Wohnsituation zu sorgen. Informationen und Präventionsmaßnahmen müssen nicht nur in Jugendämtern und Jugendhilfeeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden, sondern auch an Schulen und über diesen Weg den Eltern.

Ein besonderer Fokus sollte hier auf Schulfernbleiberinnen und Schulfernbleiber gelegt werden, die unentschuldigt mehr als sieben Schultage fehlen bzw. spezifischen Unterricht durch Fernbleiben aussetzen. Die Schulen sollen mit mehr Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ausgestattet werden, die Hilfekonferenzen zu gefährdeten Schülerinnen und Schülern sollen rascher die Arbeit der Schulen mit den Jugendämtern verknüpfen.

Teil II: Hilfesystem stärken

Zentraler Angebotskatalog für Berlin

Berlin hat ein gut ausgebautes Netz an sozialen Einrichtungen und ein breites Angebot für Wohnungs- und Obdachlose. Um die Arbeit von Behörden, Trägern und Helfenden zu vereinfachen und um den Berlinern die Möglichkeit zu geben, auch privat zu helfen, fordern wir eine Katalogisierung aller Angebote für Wohnungs- und Obdachlose. Der Katalog soll zentral, einfach und schnell zugänglich sein und so sortiert werden, dass schnell das passende Angebot herausgefunden werden kann.

Die Berliner Koordinierungsstelle soll über eine App mit den im zentralen Katalog gesammelten Hilfeinformationen für alle Bürgerinnen und Bürger jederzeit erreichbar sein. Die Menschen können Informationen zur Hilfe und persönliche Anliegen zur Bearbeitung hier mitteilen oder Wohnungslosen schnell Hilfsadressen vermitteln.

Housing First

Die klassischen langfristigen Unterbringungskonzepte sind direkt an Unterstützungsmaßnahmen gekoppelt und die Teilnahme am Hilfsprogramm ist dabei meist die Voraussetzung. Wohnungs- und Obdachlose mit multiplen Schwierigkeiten können durch Überforderungen der Aufgaben und dem Sanktionsdruck in diesem klassischen System oftmals nicht gehalten werden. Das bedeutet für einige Betroffene den Ausschluss aus dem System.

Daher fordern wir eine umfassende „Housing First“-Strategie als zusätzliches Instrument der Integration von Wohnungslosen, sowie eine stetige Evaluierung und Verbesserung dieses Instruments.

“[Housing First] ist ein Programm, mit dem Wohnungslose direkt in bezahlbaren und dauerhaften Wohnraum gebracht werden, ohne eine vorherige Erlangung von „Wohnfähigkeit“ zur Bedingung zu machen […]. Persönliche Hilfen werden angeboten, aber ihre Annahme ist freiwillig. Der Ansatz kommt aus den USA. Auch Beispiele aus Europa zeigen, dass Wohnstabilität nach 24 Monaten selbst bei Personen mit Doppeldiagnosen und ohne Betreuungsverpflichtung höher ist und seltener Wohnungslosigkeit eintritt als bei Kontrollgruppen mit einer Abstinenzvoraussetzung.”

Das Wissen um den eigenen Mietvertrag und die eigene Autonomie generiert nachgewiesen die nötige Motivation, den Wohnraum zu erhalten. Auch die Distanz zum ehemaligen sozialen Umfeld schafft den nötigen Abstand, Probleme selbstbestimmt zu lösen und sich zu entwickeln. So wird die psychische und physische Situation stabilisiert und zusehends verbessert.

Neben einer effektiveren und individuelleren Praxis der Reintegration können durch Housing Firstauch gesamtgesellschaftliche Kosten eingespart werden. Akutbehandlungen, Polizeieinsätze, Ordnungsmaßnahmen sowie der Betrieb von Notunterkünften werden reduziert.

Bedarfsgerechte Unterkünfte, flexiblere Kapazitäten

Der Bedarf an Unterkünften ist saison- und witterungsabhängig. Die Kapazitäten müssen daher flexibel zur Verfügung stehen und dem aktuellen Bedarf angepasst werden.

Modulare Unterkünfte und temporäre Lösungen wie Traglufthallen müssen daher vermehrt vorgehalten werden, um einem Engpass, gerade in den Wintermonaten, entgegenzuwirken. Für die Errichtung derartiger Unterkünfte sollen möglichst niedrige bürokratische Hürden gelten.

Von besonderer Bedeutung ist zudem die bedarfsgerechte Schaffung spezieller Unterkünfte für Jugendliche, Familien und Frauen, die derzeit nicht in ausreichendem Maße vorgehalten werden.

Sozialarbeit stärken

Der Bedarf an Sozialarbeit für Menschen in der Obdachlosigkeit und für von Wohnungsverlust Bedrohten erfordert die Zusammenarbeit vieler Akteure. Die zentrale Koordinierungsstelle Wohnungslosigkeit erhält dabei eine entscheidende Aufgabe, sie arbeitet über die Bezirksgrenzen hinweg und verknüpft somit die bezirkliche Sozialarbeit. Die Arbeit der Streetworker muss intensiviert werden, denn die Menschen auf der Straße brauchen einen leichten Zugang zu Hilfe. Drop-in-Angebote und begleitende Sozialarbeit müssen ausgebaut werden. Die Schulen, Jugendfreizeitstätten und Jugendämter müssen enger und rascher zusammenarbeiten. Vor der Entlassung aus dem Gefängnis ist Betroffenen rechtzeitig Hilfe anzubieten.

Teil III: Gesundheitsversorgung

Obdachlosigkeit ist nicht nur ein soziales, sondern oft auch ein gesundheitliches Problem. Die Betroffenen verbringen Tag und Nacht im Freien und sind damit allen Witterungen meist schutzlos ausgeliefert. Außerdem fehlen persönliche Rückzugsorte sowie die Möglichkeit, sich von Krankheiten, Verletzungen oder psychischen Problemen zu erholen. Obdachlose sind dadurch sehr anfällig für Krankheiten und Verletzungen und verschleppen Infektionen, die zu chronischen Problemen und einer geringeren Lebenserwartung führen. Zudem verursachen Alkohol- und Drogenkonsum, Einsamkeit, Überforderung und Kriminalität weitere physische und psychische Traumata.

Integrierte und präventive Gesundheitsversorgung

Die Leitgedanken einer integrierten Gesundheitsversorgung für Wohnungs- und Obdachlose sind die adäquate Bereitstellung, die einfache Zugänglichkeit, die Angemessenheit und finanzielle und personelle Leistbarkeit der Versorgung.

Bereitstellung: Die Gesundheitsversorgung muss für alle gewährleistet werden. Einrichtungen der Gesundheitsversorgung müssen für alle gleichermaßen zur Verfügung stehen und auch wohnungs- und obdachlose Menschen einbeziehen.

Zugänglichkeit: Die Gesundheitsversorgung muss für alle zugänglich sein. Bürokratische, organisatorische, finanzielle und soziale Barrieren, die den Zugang limitieren, müssen abgebaut werden und der Informationsmangel beseitigt werden.

Angemessenheit: Gesundheitseinrichtungen sind im Allgemeinen nicht auf wohnungslose Menschen ausgerichtet. Lange Wartezeiten, bürokratische Hürden und überfüllte Wartezimmer hemmen eine kontinuierliche Gesundheitsversorgung.

Leistbarkeit: Zu hohe Kosten der Gesundheitsversorgung verhindern die adäquate Versorgung und den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen. Finanzielle Mittel müssen effektiver eingesetzt und neue Wege der Versorgung angestrebt werden.

Unter Berücksichtigung dieser Leitgedanken wollen wir die Gesundheitsversorgung wohnungsloser Menschen mit einem Acht-Punkte-Plan verbessern, basierend auf den Vorschlägen der European Federation of National Organisations Working with the Homeless (FEANTSA)4:

1. Flexiblere und besser zugeschnittene Dienste

Die medizinischen Dienstleistungen müssen besser auf wohnungs- und obdachlose Menschen zugeschnitten werden. Sie müssen sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientieren und individuelle Hilfe organisieren. Personalisierte Dienste ermöglichen es, im tatsächlichen Interesse des Patienten zu agieren und Hilfeleistung langfristiger und nachhaltiger zu etablieren.

Drop-in-Angebote, Besuchsdienste und Streetworker tragen zur Verbesserung der Akzeptanz von Hilfen bei und unterstützen zusätzlich die Reintegration in das Regelsystem.

2. Zugängliche Regelgesundheitsversorgung

Administrative, finanzielle und physische Hürden müssen beseitigt werden, um den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern. Zusätzlich bedarf es auch einer Verbesserung der Information über angebotene Gesundheitsleistungen und deren Anspruchsberechtigung.

Die Betreuung und Begleitung auf Augenhöhe durch die Pflegefachkräfte soll diesen Prozess zusätzlich unterstützen.

3. Unterstützende Umgebung schaffen

Das Misstrauen von Wohnungslosen gegenüber dem Gesundheitssystem stellt die größte Hürde der Versorgung dar. Vorangegangene Negativ-Erfahrungen, Stigmatisierung und Diskriminierung müssen verhindert werden: Die Behandlung sollte auf Augenhöhe erfolgen und auf die komplexen Gesundheitsbedürfnisse eingehen.

4. Vorsorge und Gesundheitsförderung

Wohnungs- und Obdachlose ignorieren aus vielen Gründen gesundheitliche Probleme oder schätzen ihren persönlichen Gesundheitsstatus falsch ein.

Präventionsstrategien müssen ausgedehnt werden und dort ansetzen, wo wohnungs- und obdachlose Menschen am einfachsten zugänglich sind: auf der Straße. Ein proaktives Angebot durch Screening in mobilen Ambulanzen, Impfprogramme und Streetworking verbessern das Gesundheitsverständnis und die Versorgung.

5. Spezielles Entlassungsmanagement für Wohnungs- und Obdachlose

Nach der Erstbehandlung eines akuten Einweisungsgrundes werden Wohnungs- und Obdachlose meist ohne die Behandlung anderer gleichzeitig vorliegender Erkrankungen entlassen.

Die vorzeitige Entlassung in eine für die Erholung ungeeignete Umgebung führt zu einer unvollständigen Heilung und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer neuen Akutbehandlung.

Eine geklärte Wohnversorgung bis zur Genesung sollte Voraussetzung bei der Entlassung sein und durch ein spezialisiertes Team aus Medizinern und Pflegepersonal organisiert und begleitet werden.

6. Verringerung von Beeinträchtigungen und „harm reduction“

„Harm reduction“ ist ein wertfreier Ansatz zur Abwendung gesundheitlicher, sozialer und wirtschaftlicher Folgen von Substanzmissbrauch. Der Fokus liegt dabei auf Prävention der schädlichen Wirkung des Substanzmissbrauchs und nicht auf Verboten und Abstinenz.

In Verbindung mit Housing First-Programmen können auch zu Grunde liegende strukturelle Faktoren behandelt werden. Die Wohnversorgung in Kombination mit individualisierten Programmen reduzieren den Substanzmissbrauch nachhaltig. Dabei ist darauf zu achten, dass die Unterbringung auch eine unabhängige Lebensführung ermöglicht.

7. Unabhängige Lebensführung und wohnungsfokussierte Ansätze

Das institutionelle Wohnen in Obdachlosenheimen oder ähnlichen Einrichtungen kann negative Folgen auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden haben. Menschen, die lange in Übergangswohnungen untergebracht sind, leiden durch den Mangel an Privatsphäre, durch Einschränkungen der Freiheit und persönlichen Autonomie unter erhöhtem Stress und einem Mangel an Selbstwertgefühl.

Effektiver sind wohnungsfokussierte Ansätze mit der Bereitstellung individueller Hilfsdienste. Mit den richtigen Unterstützungsangeboten können sich die Betroffenen nicht nur kurieren, sie werden auch langfristig wieder in die Gesellschaft integriert. Auf lange Sicht kann das unterstützte Wohnen bessere Erfolge zu geringeren Kosten erzielen als das traditionelle institutionelle Angebot. Die positive Lebensveränderung unterstützt den Heilungsprozess und verhindert Rückfälle durch sorgsameren Umgang mit der eigenen Gesundheit. Somit erfolgt eine Reduktion der Inanspruchnahme der Notfallversorgung oder des stationären Aufenthaltes.

8. Partizipation

Proaktive und partizipative Arbeit verbessert den Zugang zum Gesundheitssystem langfristig. Wenn auf die Bedürfnisse der Zielgruppe (besser) eingegangen wird, können die Lücken im Versorgungsnetz gefüllt werden.

Mehr Hilfe für Schwerpunktpraxen

Schwerpunktpraxen für Wohnungslose leisten einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Versorgung von obdach- und wohnungslosen Menschen. Ihre Finanzierung aus Zuwendungen des Landes muss verstärkt und langfristig durch neue Finanzierungskonzepte gesichert werden. Behörden, Politik, die Kassenärztliche Vereinigung und die Träger müssen hier eng zusammenarbeiten, um die Versorgung gezielt und individuell zu gewährleisten.

Die in den Schwerpunktpraxen für Wohnungs- und Obdachlose tätigen Ärztinnen und Ärzte rechnen ihre erbrachten Stunden über die Kassenärztliche Vereinigung direkt ab. Der Sprechstundenbedarf wird über die Sprechstundenbedarfsverordnung abgerechnet. Dazu sollen die entsprechenden Ermächtigungen an die Träger vergeben werden, denn die Organisation der Sprechstunden und der personellen Besetzung erfolgt durch die Träger der Praxen. Nach Abschluss des Behandlungsjahres rechnet die Kassenärztliche Vereinigung die tatsächlich angefallenen Vergütungen mit den Finanzierungspartnern ab.

Hygienische Versorgung sichern

Hygiene ist „die bewusste Vermeidung aller der Gesundheit drohenden Gefahren und die Betätigung gesundheitsmehrender Handlungen“. Vor allem die persönliche Hygiene ist der wichtigste Aspekt zur Vermeidung von Krankheiten. Daher ist der Zugang zu Einrichtungen, in denen die Körperpflege möglich ist, ausreichend bereitzustellen.

Der Bedarf an Einrichtungen zur Körperpflege muss zunächst analysiert werden. Anschließend müssen ggf. neue Einrichtungen geschaffen oder anderweitig Alternativen gefunden werden, um wohnungslosen Menschen die regelmäßige persönliche Hygiene zu ermöglichen.

Zusätzlich muss die Anzahl öffentlicher Toiletten erhöht

Diskriminierungen von unverheirateten Paaren bei der Adoption beseitigen

Diskriminierungen von unverheirateten Paaren bei der Adoption beseitigen

Aktuell ist es in Deutschland unverheirateten Paaren nicht möglich gemeinsam ein Kind zu adoptieren. Auch die Stiefkindadoption ist nur möglich, wenn der Antragsteller mit dem biologischen Elternteil des Kindes verheiratet oder verpartnert ist. Dabei ist es für das Kindeswohl unerheblich, ob die Eltern eine gemeinsame oder getrennte Steuererklärung abgeben.

Die Jungen Liberalen Berlin fordern, (Stiefkind-) Adoptionen auch unverheirateten Paaren zu ermöglichen. Unverheiratete Paare sollen verheirateten und verpartnerten Paaren gegenüber im Adoptionsrecht gleich gestellt werden.

Volle Testierfreiheit – Pflichtteile abschaffen, Freibeträge anpassen!

Die Jungen Liberalen Berlin fordern die Abschaffung des sogenannten „Pflichtteils“ im Erbrecht, der Familienangehörigen und Ehegatten bzw. Lebenspartnern auch gegen den Willen des Erblassers einen Teil des Erbes zusichert. Das BGB und das ErbStG sind dementsprechend anzupassen. Minderjährige, unterhaltsberechtigte Kinder sollen jedoch ihre lebzeitig gegen den Erblasser bestehenden Unterhaltsansprüche gegen den Nachlass geltend machen können.

Faire Startchancen für ein Leben in Freiheit

Die Jungen Liberalen Berlin setzen auf die Freiheit und Entfaltung eines jeden Bürgers und vertrauen darauf, dass jeder Mensch durch Eigenverantwortung und Selbstbestimmung sein persönliches Glück erlangen kann.

Die soziale Herkunft darf für die individuellen Lebenswege nicht entscheidend sein. Um Freiheit und Eigenverantwortung nutzen zu können, bedarf es bestimmter Voraussetzungen. Junge Menschen müssen durch gleiche Startchancen in die Lage versetzt werden, mit Hilfe von Tatkraft und eigener Initiative eine Chance auf Verwirklichung ihres Lebensglücks zu erlangen.

Fehlende Chancengerechtigkeit führt nicht nur zu einer eingeschränkten persönlichen Entfaltungsfreiheit der Menschen, sondern beeinträchtigt auch die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Insbesondere Deutschland, dessen Stärke auf ökonomischem und technischem Fortschritt fußt, leidet darunter, wenn anhaltende Armut zu schlechten Bildungschancen bei Kindern führt.

Startchancen müssen Freiheit garantieren, aber auch schlechte Bedingungen für Kindern ausgleichen. Um ein Leben in Freiheit und Eigenverantwortung zu ermöglichen, müssen alle Menschen faire Startchancen erhalten.

 

Materielle Voraussetzungen

Um Chancen nutzen zu können, muss das Existenzminimum eines jeden Bürgers sichergestellt werden. Vor allem Kinder, die ihre materielle Situation nicht beeinflussen können, sind darauf angewiesen.

Kinderarmut zeigt sich in Deutschland vor allem als Mangel an Chancen zur Erfüllung des eigenen Lebensglücks und gesellschaftlicher Teilhabe. Eltern, deren Einkommen nur knapp oberhalb des Existenzminimums liegt, muss stärkere Unterstützung zukommen, um die Startchancen ihrer Kinder zu erhöhen.

Vor allem Kinder von Hartz-IV-Empfängern und Alleinerziehenden sind einer hohen Gefahr von Armut ausgesetzt. Diese Armut ist nicht nur ein Mangel an materieller Sicherheit, sondern drückt sich negativ in allen zentralen Lebenslagen des Kindes aus: Einschränkungen an gesellschaftlicher Teilhabe, geringere Bildungs- und Lebenschancen sowie soziale Exklusion.

Langfristig fordern wir die Einführung eines Kinderbürgergeldes, dass Kinderfreibeträge, Kindergeld und den Kindezuschlag ersetzen soll. Die Höhe muss sich am sächlichen Existenzminimum von Kindern orientieren. Das Kinderbürgergeld ist eine negative Einkommenssteuer, deren Höhe sich nach dem Einkommen der Eltern sowie auch nach dem persönlichen Einkommen der Kinder richtet. Die Leistung muss steuerfrei an die Eltern ausgezahlt werden. Die Transferentzugsgrenze, welche regelt dass das Kinderbürgergeld gemessen an der Einkommenshöhe sinkt, darf 50% nicht unterschreiten.

Das steuerliche Ehegattensplitting soll entfallen. Stattdessen sollen mittelfristig Eltern im Rahmen eines Familiensplittings den vollen Steuerfreibetrag für jedes Kind beliebig untereinander aufteilen können. Hierbei sollen keine steuerlichen Nachteile für bereits verheiratete Eltern entstehen.

Zur kurzfristigen Verbesserung der materiellen Situation von Kindern und Jugendlichen fordern wir außerdem:

  • Der Hartz-IV Regelsatz von Kindern soll sich künftig am sächlichen Existenzminimum orientieren.
  • Die Kosten für die Betreuung des eigenen Kindes sollen steuerlich voll absetzbar sein, dabei soll die Höchstgrenze erhalten bleiben.
  • Unterhaltsvorschüsse für Alleinerziehende müssen künftig bis zum Ende der schulischen Ausbildung eines Kindes gezahlt werden. Ebenso müssen die Maximaldauer von 72 Monaten abgeschafft und die Vorschüsse stärker an die Düsseldorfer Tabelle angepasst werden. Die Jugendämter müssen unterhaltspflichtige Elternteile stärker als bisher zur Begleichung heranziehen.
  • Bei Missbrauch des Kindergeldes durch die Eltern soll das Jugendamt die Möglichkeit erhalten, dieses in Sachmittel und kindsbezogene Gutscheine umzuwandeln. Dieses Vorgehen soll nach Ablauf einer Frist erneut überprüft und gegebenenfalls weiter fortgesetzt werden.
  • Die bestehenden Bildungs- und Teilhabepakete müssen stärker beworben werden. Beantragung und Bearbeitung von Unterstützungsmaßnahmen wie dem Zahlen von Klassenfahrten oder Bildungsangeboten müssen schnell und unbürokratisch erfolgen.
  • Die Einführung eines elternunabhängigem BAföG, das jedem, losgelöst vom Einkommen der Eltern, eine Ausbildungsunterstützung ermöglicht.
  • Kindergeld sollte nicht nur bei einem FSJ/FÖJ gezahlt werden, sondern auch für ein weiteres Jahr nach dem Schulabgang, wenn Jugendliche ein Brückenjahr nutzen bzw. als Gapyear selbst gestalten.

Als Beitrag zur Gegenfinanzierung müssen das Betreuungsgeld die Erhöhung der “Mütterrente” zurückgenommen werden.

Kinder brauchen mehr Rechte

Kinder haben vom ersten Tag ihres Lebens an eigene Rechte. Sie haben das Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit, auch gegen den Willen ihrer Eltern. Kinder und Jugendliche sind in der Lage, selbst Verantwortung zu tragen. Zur Stärkung der rechtlichen Situation von Kindern und Jugendlichen schlagen wir vor:

  • Eigene Kinder- und Jugendrechte müssen unmittelbaren Verfassungsrang erhalten. Art. 6 I GG soll dafür erweitert werden.
  • Fortwährender Hausarrest stellt für Jugendliche eine erhebliche Freiheitseinschränkung dar. Ab dem vollendeten 16. Lebensjahr soll diese als Freiheitsberaubung strafbar sein, sofern sie nötigend erzwungen wird.
  • Für Jugendliche ab 16 Jahren soll zukünftig eine gesetzliche Teilgeschäftsfähigkeit gelten. Sie sollen Vertragsverhältnisse im Rahmen des halben Wertes des elterlichen Unterhaltsanspruches, entsprechend der “Düsseldorfer Tabelle”, aus eigener Kraft und nicht durch die Eltern anfechtbar abschließen können. Bei Dauerschuldverhältnissen darf der Betrag der Gesamtschuld den einmaligen Verfügungsbetrag nicht übersteigen.
  • Das Jugendschutzgesetz muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Zeitliche Ausgehbeschränkungen für den Besuch von Gaststätten, Tanzveranstaltungen usw. sollen nicht mehr für Jugendliche ab 16 Jahren gelten. FSK und USK sollen für sie nicht mehr bindend sein.

Förderung von Kindern und Jugendlichen

Wir sind davon überzeugt, dass jeder Mensch die gleichen Startchancen im Leben verdient. Es ist daher eine staatliche Pflicht, schon in der frühkindlichen Phase ein umfassendes Erziehungs- und Bildungsangebot bereitzustellen. Ganz entscheidend beeinflusst diese Zeit die Entwicklung von Kindern und gibt die Richtung für die weitere Bildungskarriere vor. Unabhängig vom sozialen Hintergrund jedem Kind die gleichen Entwicklungschancen zu bieten, muss Kernaufgabe der Politik sein.

Den Kindertagesstätten kommt eine besondere Bedeutung als Chancenbereiter zu. Das Land Berlin muss sich in erster Linie konsequent für eine bessere Versorgung mit Kitaplätzen einsetzen. Obwohl Berlin bundesweit die teuerste Kinderbetreuung hat, sind sowohl Personalschlüssel als auch Versorgungslage weiterhin schlecht.

Als Junge Liberale Berlin sehen wir die Lösung vor allem in dem Angebot privater Kindertagesstätten. Berlin muss sich stärker am “Hamburger Modell“ orientieren und die Gründung privater Kitas fördern. Eine gesetzliche Gleichstellung von staatlichen und privaten Einrichtungen ist längst überfällig. Unflexible zeitliche und tarifliche Regelungen an öffentlichen Kitas machen unsere Stadt unattraktiv für Erzieher und sind mitverantwortlich für den Mangel an gut ausgebildetem Personal. Diese Regelungen zu lockern und bürokratische Hürden abzubauen, muss daher Priorität sein.

Mit aktuell nur knapp über 100 Einträgen ist das landesweite Verzeichnis für freie Plätze ungenügend. Die Kompetenz für ein solches Verzeichnis sollte – im Einklang mit der Ausgabenhoheit – an die Bezirke übergeben werden, da Unterbringung und Organisation hier stattfinden und besser koordiniert werden können.

Unsere Stadt ist ein Magnet für Menschen verschiedenster Kultur und Sprache. Integration und die damit einhergehende Chancengleichheit ist nur möglich, wenn Sprachbarrieren frühzeitig erkannt und behoben werden. Daher setzen sich die Jungen Liberalen Berlin für einen landesfinanzierten Pool bilingualer Erzieher und Lehrer ein, die über Weiterbildungen Kompetenzen für Sprachvermittlung erlernen und flexibel an förderbedürftigen Einrichtungen entsprechende Kurse schaffen können. Spätestens der erfolgreiche Start in das Schulleben setzt ein einheitliches Sprachniveau aller Schüler voraus. Daher sprechen sich die Jungen Liberalen Berlin weiterhin für einen Sprachtest vor dem Grundschulbesuch aus, der im Zweifel eine Empfehlung zur Teilnahme an einem Sprachkurs gibt.

In KiTas muss frühzeitig eine kindgerechte Bildungsarbeit stattfinden. Dadurch können unterschiedliche soziale Hintergründe durch spezielle Förderung ausgeglichen werden. Eine wichtige Aufgabe sollte dabei sein, Interesse am Lernen zu wecken. Die Bezirksverwaltungen sollten, in Zusammenarbeit mit örtlichen Initiativen und Unternehmen, Exkursionen und Thementage entwickeln und anbieten. Öffentliche und private Kindergärten sollten dazu angehalten sein, diese Angebote wahrzunehmen.

Zudem müssen die Betreuungszeiten in KiTas flexibilisiert werden. Notwendig sind besonders 24-Stunden-KiTas, die eine Betreuung von Kindern von Schicht- und Nachtarbeitern ermöglichen.

Langfristig muss ein öffentlicher KiTa-Platz für die Eltern gebührenfrei sein, um zu gewährleisten, dass alle Kinder mit einem vergleichbaren Leistungsstand ins Schulleben einsteigen. Die Betreuungsqualität darf hierunter nicht leiden.

Der Berliner Senat wird aufgefordert ein Konzept zur Resilienzförderung zu entwickeln, dass Kindern auf individueller Ebene und auf Beziehungsebene Bewältigungskompetenzen nahebringt, die ihnen im Umgang mit Problemen und Konflikten helfen. Dieses soll KiTas als Grundlage zur frühkindlichen Erziehung dienen. Dabei muss vor allem darauf geachtet werden, dass Kinder im Verlauf ihrer frühkindlichen Entwicklung langfristigen Kontakt mit Bezugspersonen aufbauen können.

Berufswahl und Einstieg in den Arbeitsmarkt

Bildung schützt am besten vor Arbeitslosigkeit. Um zu verhindern, dass vor allem Jugendliche mit niedrigem, schlechtem oder gar keinem Schulabschluss in die Erwerbslosigkeit abgleiten, hat es für uns höchste Priorität, Startchancen zu schaffen und auch diesen Jugendlichen eine ihren persönlichen Fähigkeiten entsprechende Ausbildung zu ermöglichen.

Schüler dürfen nicht einfach aus dem Bildungssystem herausfallen, denn so haben sie es besonders schwer, einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Auch den Schülern, die den Anforderungen des jetzigen Schulsystems aus verschiedenen Gründen nicht gewachsen sind, muss durch individuelle Förderung eine Perspektive eröffnet werden. Dafür fordern wir:

  • Gerade in sozialen Brennpunkten muss die Ganztagsbetreuung ausgebaut und durch gute Angebote auch attraktiv gemacht werden.
  • Alternative Schulmodelle, wie das Modell der Praxisklasse, müssen deutschlandweit gefördert werden. Diese Modelle müssen Schülern möglichst früh offenstehen, damit sie persönliche Förderung erhalten und gegebenenfalls wieder in die Regelklassen integriert werden können.

Schüler, die vor dem Ende ihrer Schulzeit stehen, müssen schon früh die Möglichkeit haben, einen Berufswunsch zu entwickeln und sich schon vor Beginn der Ausbildung dafür zu qualifizieren und darüber zu informieren. Dafür fordern wir:

  • Es muss eine flächendeckende Berufsberatung an Schulen etabliert werden. Die Zahl der Berufsberater ist zu erhöhen. Jede Schule muss mindestens einmal monatlich eine Sprechstunde zur Berufsberatung anbieten. In der Sekundarstufe I und in der Qualifikationsphase sollten die Schüler mindestens zwei dieser Einheiten im Schuljahr besuchen.
  • Das Angebot an Wahlpflichtfächern und Grundkursen muss ausgeweitet werden. Dabei sollen Schulen auch externe Lehrkräfte aus den entsprechenden Fachrichtungen ohne pädagogische Ausbildung anstellen können. Hierbei sind Kooperationen zwischen mehreren Schulen zu forcieren und zu unterstützen.
  • Den Schülern müssen Qualifikationsmöglichkeiten wie die Einstiegsqualifikation bewusst gemacht und ermöglicht werden. Außerdem sollten gerade Schüler mit einer „Schulangst“ über Ausbildungsmodelle ohne Berufsschule informiert, aber auch über die mögliche geringere Qualifikation aufgeklärt werden.
  • Die Kooperation zwischen Wirtschaft und Schulen muss stark ausgebaut werden. Die Betriebe müssen nicht nur in Seminaren und Vorträgen an die Schulen geholt werden. In einer berlinweiten Projektwoche sollten die Schüler außerdem mehrere Betriebe ihrer Wahl besuchen können, um ein lebendiges Bild vom Wirtschaftsleben vermittelt zu bekommen. Die Organisation sollte finanziell von Vertretern der privaten Wirtschaft wie Unternehmen, Kammern, Verbände mitgetragen werden.
  • Private Initiativen, die der Ausbildungs- und Studienvermittlung dienen – und insbesondere Initiativen wie Studienkompass mit dem Ziel, die Chancengerechtigkeit im Bildungssystem zu erhöhen – sind zu unterstützen.

Das starke Überangebot an Ausbildungsplätzen zeigt: Um den angehenden Azubis den Weg in die Ausbildung und zu ihrem Abschluss zu ebnen, muss nicht so sehr an den Betrieben, als am System und der Organisation der Ausbildung an sich angesetzt werden. Erst darüber hinaus sollten Betriebe bei der Aufnahme von Leistungsschwächeren unterstützt werden. Daher fordern wir:

  • Das Ausbildungssystem muss modularisiert werden. Es ist unhaltbar, dass jeder Ausbildungsabbruch einen völligen Neustart für die Azubis bedeutet. Azubis sollen in den Berufsschulen und in den Betrieben die Ausbildung in einzelnen Modulen absolvieren, deren Abschluss auch für eine mögliche weitere Ausbildung erhalten bleibt und diese verkürzen kann oder im Hochschulstudium anerkannt wird.
  • Auch die Ausbildungsvergütung sollte sich nach diesen teilqualifizierenden Schritten richten. Ein System der leistungsabhängigen Vergütung, in dem der Azubi mit jedem abgeschlossenen Modul seine Vergütung erhöht, schafft starke Leistungsanreize.
  • Über die Modularisierung soll eine Spezialisierung in der Ausbildung nicht mehr mit Unterschreiben des Ausbildungsvertrages erfolgen, sondern sich erst über die Wahl der Module zum Ende der Ausbildung klar abzeichnen. Statt die Ausbildung wie momentan ganz neu beginnen zu müssen, sollte es dem Azubi möglich sein, in verwandte Sparten der Ausbildung ohne immensen Aufwand wechseln zu können. Leistungsschwachen Berufsschülern müssen Fördermöglichkeiten angeboten werden. Gleiches gilt auch für Leistungsstarke. Weiterhin können digitale Lernangebote individuelle Förderung unterstützen und sollten für die jeweiligen Ausbildungsberufe mit Praxispartnern entwickelt werden.
  • Der Austausch von Azubis zwischen den Betrieben, wie er heute schon praktiziert wird, muss in diesem Rahmen ausgebaut werden. Ausbildungsverbünde in einzelnen Branchen sind zur stärkeren Kooperation aufzubauen.
  • Um Betrieben darüber hinaus die Ausbildung von leistungsschwachen Schülern, Geringqualifizierten und auch geringqualifizierten Flüchtlingen zu erleichtern, sollte der Betrieb bei einer entsprechenden Einstellung bei den Sozialabgaben entlastet werden.
  • Ausbildungen, gerade von leistungsschwachen Azubis, kosten den Ausbilder viel Zeit. Dies sollte durch staatliche Zusatzqualifikationen, die die Azubis außerhalb des ausbildenden Betriebs absolvieren, abgemindert werden.
  • Die Arbeit von sozialen Initiativen wie dem Projekt „Arrivo“, die sich um die Ausbildung von Geringqualifizierten und Flüchtlingen kümmern, sollten stärker gewürdigt und unterstützt werden.
  • Ebenso sollten Betriebe, die sich durch die Ausbildung von Flüchtlingen und Geringqualifizierten sozial engagieren, beispielsweise durch ein Siegel ausgezeichnet werden können.

Vorstellungsgespräche für Freiwilligendienste auch Sozialbedürftigen ermöglichen!

§ 16 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – und §§ 25 und 44 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – sollen entsprechend so geändert werden, dass die Fahrtkosten für Vorstellungsgespräche bei Freiwilligendiensten für Arbeitslose und Angehörige aus Bedarfsgemeinschaften übernommen werden.

Liebe kennt keine Grenzen: Europa als Raum der Vielfalt und Toleranz

Europa wächst zusammen. Durch die stetige europäische Integration, die Schaffung der Unionsbürgerschaft und die daraus erwachsende Freizügigkeit wurden Meilensteine der freien Mobilität geschaffen. Europäische Lebenswege werden dadurch zunehmend zur Selbstverständlichkeit. Immer mehr Europäer verbringen einen Teil ihrer Ausbildungs- oder Erwerbsbiographie im europäischen Ausland – und knüpfen dort Bekanntschaften, die oft ein Leben anhalten.

In der EU werden jedes Jahr gut zwei Millionen Ehen geschlossen, von denen etwa 350.000 einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen. Die Zahl der jährlichen Scheidungen liegt zugleich bei etwa 875.000, grenzüberschreitend sind davon etwa 170.000. Dennoch ist das europäische Familienrecht lückenhaft geblieben: Die Brüssel IIa-, europäische Unterhalts-, Ehe- und Rom-III-Verordnungen erfassen nach wie vor nur einen Teilbereich der Materie und errichten teilweise nur ein Regelungsregime zu Gerichtsstand und grenzüberschreitender Entscheidungsvollstreckung. Eine Vereinheitlichung des materiellen Familienrechts, etwa bezüglich der Voraussetzung der Eheschließung, der Ehewirkungen, des ehelichen Güterstandes, oder des Adoptionsrechts, erfolgte bislang ebenso wenig wie eine abschließende Regelung des Kollisionsrechts. Hieraus können in erheblichem Maße Hindernisse für die grenzüberschreitende Mobilität erwachsen: In Fragen außerhalb des Scheidungs-und Trennungsrechts und des Kindesunterhalts (dem Anwendungsbereich der Rom-III-VO und dem Haager Unterhaltsübereinkommen) variiert je nach Gerichtsstand das anwendbare Recht in Abhängigkeit des jeweiligen mitgliedstaatlichen internationalen Privatrechts. Auch die Anerkennung einer im EU-Ausland geschlossenen Ehe oder im EU-Ausland bewirkten Adoption ist nicht ausnahmslos rechtssicher gewährleistet – vor allem die Anerkennung einer gleichgeschlechtlichen Ehe in einem Mitgliedstaat, der einen solchen Eheschluss nicht zulässt, ist sekundärrechtlich ungeregelt und höchstrichterlich bislang ungeklärt. Einem Drittstaatsangehörigen, der mit einem gleichgeschlechtlichen Unionsbürger legal eine Ehe in einem EU-Mitgliedstaat eingeht, kann aus diesem Grund bspw. in einem anderen Mitgliedstaat der Status als Familienangehöriger im aufenthaltsrechtlichen Sinne versagt und dadurch eine Daueraufenthaltsgenehmigung verweigert werden. Auch weitergehend stellen sich Unsicherheiten, etwa hinsichtlich der steuerlichen Behandlung einer solchen Ehe.

Zwar ist Familienrecht in besonderem Maße mit der kulturellen Identität eines jeden Mitgliedsstaates verwoben. Eine Angleichung des materiellen Familienrechts in ganz Europa „von oben herab“ mag deshalb Konfliktpotential beherbergen. So würde etwa eine europarechtliche Verpflichtung, im gesamten Unionsgebiet die Eingehung gleichgeschlechtlicher Ehen zu ermöglichen, in einigen Mitgliedstaaten auf beträchtlichen Widerstand stoßen – man denke nur an das kürzlich per Verfassungsreferendum in Kroatien beschlossene Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe. Dennoch muss es in Ansehung der Grundfreiheiten und –werte der Union ermöglicht werden, dass Familien ihre Freizügigkeit ausüben können, ohne dabei um ihren Ehe- oder Adoptionsstatus befürchten zu müssen.

Die Jungen Liberalen Berlin fordern daher als weniger einschneidendes Mittel gegenüber einer Vollharmonisierung die verpflichtende gegenseitige Anerkennung von Ehen und Adoptionen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat eingegangen wurden. Hierzu ist eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts erforderlich:

  • Die Ehevoraussetzungen, Ehewirkungen, einschließlich des ehelichen Güterstandes, Adoptionsvoraussetzungen und Adoptionswirkungen beurteilen sich im gesamten EU-Gebiet nach dem Recht des EU-Staates, in dem die Ehe geschlossen oder die Adoption durchgeführt wurde.
  • Um rechtsmissbräuchlichem „Heiratstourismus“ zu entgegnen, ist die Unterstellung unter ein anderes Familienrecht als desjenigen Staates, dem die beteiligten Personen angehören, erst nach einem regelmäßigen Aufenthalt von mindestens einem Jahr Dauer im entsprechenden Staat zulässig. Vor diesem Zeitpunkt kann die Eheschließung oder die Adoption nur nach dem Recht des Staates durchgeführt werden, dem der Unionsbürger angehört. Gehören die Ehegatten untereinander, die Adoptiveltern untereinander oder die Adoptiveltern gegenüber dem Adoptivkind unterschiedlichen Mitgliedstaaten an, kann nach dem Willen der Beteiligten in die Rechtsordnung eines der Beteiligten optiert werden.
  • Im Rahmen öffentlich-rechtlicher, steuerrechtlicher, strafrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Vorschriften, die tatbestandlich an eine Ehe oder ein Eltern-Kind-Verhältnis anknüpfen, sind unter diesen Voraussetzungen EU-ausländische Ehen und Adoptionen bedingungslos anzuerkennen.