Für ein einzelfallgerechtes Adoptionsrecht!

Die Jungen Liberalen Berlin fordern eine Änderung des Adoptionsrechts, um einerseits einzelfallgerechtere Entscheidungen über die Bewerbereignung potentieller Adoptiveltern herbeizuführen und andererseits das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu stärken und durchsetzbarer zu gestalten. Im Einzelnen:

Reform von Adoptionsvoraussetzungen und -verfahren

1. Eine Adoption eröffnet nicht nur die Möglichkeit, Kindern optimale Entwicklungschancen in einer liebevollen, familiären Umgebung zukommen zu lassen – sie bietet häufig auch vielen Kinderlosen die einzige Möglichkeit, ihren Familienwunsch zu erfüllen. Durch die Adoption übernehmen die Annehmenden aber zugleich ein beträchtliches Maß an Verantwortung, das nicht durch übereilte Entscheidungen eingegangen werden sollte. Die Jungen Liberalen Berlin sprechen sich daher im Grundsatz für die Beibehaltung der formalen Anforderungen (gerichtliche Entscheidung, notariell beurkundete Einwilligungserklärungen) aus, da durch dieses Verfahren nicht nur ein Übereilungsschutz gewährleistet, sondern auch die Rechtsposition des Vaters bei strittiger Abstammung gesichert werden kann.

2. Auch die gründliche Prüfung von Adoptionsbewerbern durch die Adoptionsvermittlungsstellen wird von den Jungen Liberalen Berlin begrüßt, da hierdurch am ehesten eine positive Entwicklungsprognose für das Adoptivkind sichergestellt werden kann. Im Rahmen der Bewerberprüfung können zwar Aspekte wie die Erlangung eines gewissen Reifegrades, die emotionale Festigkeit, materielle Sicherheit und auch körperliche Leistungsfähigkeit Eingang finden. Starre Altersgrenzen werden dem Anspruch einer einzelfallgerechten Bewerberprüfung jedoch in keinem Fall gerecht. Ob beispielsweise ein 18-jähriges Elternteil zur liebevollen Aufzucht eines Kindes weniger imstande ist als ein 25-jähriges Elternteil, kann in dieser Pauschalität nicht unterstellt werden. Die Jungen Liberalen Berlin fordern daher

  • die einheitliche Herabsetzung des Adoptionsalters gem. § 1743 BGB für alle Adoptionsarten auf 18 Jahre und
  • die Abschaffung starrer Höchstaltersgrenzen für Adoptionsbewerber. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter wird entsprechend aufgefordert, ihre Empfehlung zur Höchstaltersgrenze zu widerrufen und künftig nicht mehr abzugeben.

Auch das Verbot der gemeinschaftlichen Adoption durch unverheiratete Paare gem. § 1741 II 1 BGB ist aufzulösen. Lebenspartnerschaften und außereheliche Familienmodelle können keinesfalls pauschal als dem Kindeswohl weniger zuträglich betrachtet werden.

3. Durch die Absenkung starrer Adoptionshürden gewinnt die Elterneignungsprüfung der Adoptionsvermittlungsstellen potenziell an Bedeutung. Um jedem Adoptionsbewerber die möglichst große Gewähr einer objektiven, einzelfallgerechten Prüfung zuteilwerden zu lassen, sollen Eignungsentscheidungen ausnahmslos durch eine mehrköpfige Kommission unter Beiziehung externen Sachverstands getroffen und bereits die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen durch die Mitglieder der Kommission durchgeführt werden. Die Adoptionsvermittlungsstellen der Jugendämter und Landesjugendämter sollen hierfür mit ausreichend Personal- und Sachmitteln ausgestattet werden. Aus der Mitte der Kommission soll ferner für die Länge des gesamten Verfahrens ein Mitglied benannt werden, das sowohl für die leiblichen Eltern als auch die Adoptionsbewerber als dauerhafter Ansprechpartner fungiert. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass zwischen den Beteiligten und dem Sachbearbeiter ein Vertrauensverhältnis entsteht, das für den Erfolg der Adoptionsberatung essentiell sein kann.

Anspruch des Kindes auf Offenbarung der Adoption

1. Jeder hat ein Recht zu erfahren, wer er ist. Zwar genießen Adoptivkinder bereits in weitgehendem Umfang Ansprüche zur Einsicht in Personenstandsregister und Adoptionsvermittlungsakten, um eine für die Identitätsfindung oft essentielle Nachforschung über die Umstände der eigenen Geburt und Abstammung betreiben zu können (vgl. § 63 I PStG und § 9b II AdVermiG). Ein solcher Anspruch läuft jedoch leer, sofern dem Adoptivkind der Umstand seiner Adoption gänzlich unbekannt ist. Zwar mag es nachvollziehbare Gründe geben, warum Adoptiveltern den Umstand der Adoption geheim halten. Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist jedoch eine so bedeutsame, eng mit der Menschenwürde verknüpfte Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, dass es auch gegenüber den Adoptiveltern geltend gemacht werden können muss.

Die Jungen Liberalen Berlin fordern daher eine gesetzliche Verpflichtung der Annehmenden, das Adoptivkind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres über die Annahme und deren Umstände aufzuklären. Bereits vor Eintritt der Volljährigkeit sollen die Jugendämter familientherapeutische Betreuungsleistungen anbieten, durch die den Annehmenden Möglichkeiten aufgezeigt werden, die Offenbarung in einer für die Kindesentwicklung und die Familiendynamik schonenden Art durchzuführen. Durch Betreuung des Adoptivkindes – nach therapeutischem Ermessen der Jugendämter in Einzelsitzungen, Gruppentherapie mit anderen Adoptivkindern oder Familientherapie gemeinsam mit den Annehmenden – sollen mögliche negative Auswirkungen auf die seelische Entwicklung des Kindes abgefedert werden.

Sprechen einzelfallspezifische Gründe für die Verschiebung dieses Zeitpunkts, kann eine Verschiebung in Absprache mit dem Jugendamt bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres stattfinden.

Zur Durchsetzung des Anspruchs werden die Annehmenden gemeinsam mit dem Adoptivkind nach Ablauf dessen 18. Lebensjahres zu einem gemeinsamen Kontrollgespräch in das örtlich zuständige Jugendamt geladen. Ist die Offenbarung bis zu diesem Zeitpunkt erkennbar nicht erfolgt, wird sie – im Zweifel durch psychologisch geschulte Mitarbeiter des Jugendamtes – durchgeführt.

2. Für viele werdende Mütter in schwieriger Lebenslage stellt die Möglichkeit und Gewissheit, ihr Kind nach der Geburt in eine liebevolle Familie abgegeben zu können, die einzig akzeptable Alternative zu einem Schwangerschaftsabbruch dar. Die Jungen Liberalen Berlin befürworten daher nachdrücklich die Möglichkeit der vertraulichen Geburt und der Inkognito-Adoption, da sie einen Ausweg aus einer psychologischen Extrembelastung bieten. Die ab 1.5. im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelten Verfahren stellen zugleich sicher, dass entgegen einer Abgabe in anonymen Babyklappen die Abstammung des Adoptivkindes dokumentiert bleibt, sodass eine – für die Identitätsfindung regelmäßig essentielle – Nachforschung über die eigene Abstammung ermöglicht bleibt.