Für mehr Freiheit in der Medizin

Für die persönliche Entfaltung jedes Einzelnen ist ein adäquater Gesundheitszustand von größter Bedeutung, weshalb der Wert einer guten medizinischen Versorgung kaum überbewertet werden kann. Trotz einer außerordentlich hohen Abgabenlast ist es dem deutschen Gesundheitssystem aktuell nicht möglich, den berechtigten Ansprüchen der Bürger in Land und Stadt gerecht zu werden. Hierfür sind vor allem die schlechten Rahmenbedingungen der Medizin-Branche verantwortlich. Besonders eindrücklich gescheitert ist in diesem Zusammenhang die signifikante Einschränkung der Niederlassungsfreiheit, die deutlich mehr geschadet als genützt hat.

Auch bei einem Versorgungsgrad über 110 Prozent sollte die Niederlassungsfreiheit daher als Regelfall erhalten bleiben. Nur wenn die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen bei einer Überversorgung negative Auswirkungen sehen, sollten sie Zulassungssperren verhängen können.

Statt die Entscheidungsfreiheit von Medizinern unnötig einzuschränken, muss an erster Stelle ein ausreichendes Angebot von Studienplätzen sichergestellt werden – vor allem in Hinsicht auf die ländliche Versorgung. Daher müssen Hochschulen, die den Studiengang Humanmedizin anbieten, ihre entsprechenden Kapazitäten um fünf Prozent steigern. Die hierdurch geschaffenen zusätzlichen Studienplätze sind an Studenten zu vergeben, die sich für 8 Jahre als „Landarzt“ verpflichten, ihren Beruf in einem Planungsbereich auszuüben, der bei Berufsantritt einen Versorgungsgrad von unter 60% aufweist. Diese „Landarztstudienplätze“ sind in getrennt von den Verfahren für die anderen Medizinstudienplätze zu vergeben. Dabei setzen wir uns für ein Verfahren ein, dass die Abiturnote mit Zulassungstests kombiniert, um die konkrete Eignung von Bewerbern für den Studiengang genauer zu prüfen.

In diesem Zusammenhang begrüßen wir es auch, wenn Hochschulen, die medizinische Lehrgänge anbieten, zusammen mit Kommunen in der Umgebung Freizeitangebote für Medizinstudenten einrichten, die dazu führen, dass diese das Land- als Alternative zum Stadtleben erfahren.

Um weiterhin die allgemeine Arbeitslast von ländlich tätigen Ärzten verringern zu können, sollte eine Zusatzausbildung für Medizinische Fachangestellte und für Medizinisch-Technische Assistenten konzipiert werden. Die Details sind von den Ärztekammern zu erarbeiten.

Zudem sollte für eine besondere Achtsamkeit im Umgang mit dem Notruf geworben werden. Dieser wird häufig auch in Situationen abgesetzt, die ein solches Handeln grundsätzlich nicht verlangen. Auch ein Arztbesuch sollte wohl überlegt sein. Als vielversprechend erachten wir hier ein Projekt nach Vorbild der #NoNotruf Kampagne der Berliner Polizei. Eine weitere Quelle unnötiger Ressourcenbeanspruchung im Gesundheitssystem sind Arztbesuche von Patienten mit harmlosen Kurzzeiterkrankungen, die keine medizinische Betreuung, sondern lediglich die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung benötigen. Um die Nachfrage nach derartigen Arztbesuchen zu senken, soll das in vielen Tarifverträgen vereinbarte, unter anderem im öffentlichen Dienst praktizierte Krankschreibemodell (Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbecheinigung erst ab dem dritten Krankheitstag) als gesetzliche Regel im Entgeltfortzahlungsgesetz verankert werden. Häufen sich bei einzelnen Arbeitnehmern kurzzeitige Krankmeldungen ohne Attestvorlage, ist der Arbeitgeber berechtigt, nach Anhörung der ggf. zuständigen Personalvertretung für diese Arbeitnehmer eine Attestpflicht ab dem ersten Fehltag anzuordnen.

Ferner muss die Versorgungsstruktur den Vorstellungen der Ärzte hinsichtlich ihrer Berufsausübung Rechnung tragen, um eine gute medizinische Versorgung sicherstellen zu können. Vor allem in ländlichen Regionen sehen wir daher große Chancen in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im Sinne des § 95 SGB V – vor allem in Kombination mit gegebenenfalls staatlich geförderten Shuttle-Services, die das Abdeckungsgebiet der einzelnen Einrichtungen erhöhen.

Ergänzend muss der schleichende Wertverfall von Arztpraxen schnellstmöglich gestoppt werden, der in der Vergangenheit durch die divergierenden Preise zwischen den ärztlichen Leistungen im Krankenhausbereich und denen von Niedergelassenen verursacht wurde. § 87 SGB V hat daher nach Vorbild der sogenannten Meistbegünstigungsklausel im Sinne des § 10 Abs. 6 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) angepasst zu werden.