Die Bundesrepublik Deutschland ist seit ihrem Bestehen ein Zuwanderungsland und wird von Menschen verschiedenster Ethnien, Religionen und Kulturen sozial und wirtschaftlich bereichert. Berlin sticht hierbei mit über einer halben Million Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sowie vielen hunderttausenden an weiteren Menschen mit ausländischen Wurzeln als Zuwanderungsstandort besonders hervor. Die Jungen Liberalen Berlin setzen sich für eine Gesellschaft der Toleranz ein, in der jeder Mensch – gleich seiner Religion, seines Lebensstiles, seiner ethnischen Zugehörigkeit oder der politischen Überzeugung – seinen individuellen Weg gehen kann. Grenzen zeigt hierbei lediglich die freiheitlich-demokratische Grundordnung auf.
Um weiterhin möglichst vielen Menschen eine Heimat bieten zu können, ist eine Willkommenskultur frei von Vorurteilen, Ressentiments oder gar Hass notwendig. Pauschalisierungen und Hetze gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen radikalisieren, schaffen Gräben und eine Atmosphäre der Ausgrenzung. Zuwanderer, die in Deutschland auf der Suche nach besseren Aufstiegschancen und einem angenehmeren Leben sind, sind als wichtiger Teil der Gesellschaft zu sehen – nicht als Gäste, die unter engstirnigen Prämissen geduldet werden.
Zuwanderer als Leistungsträger
Im Wirtschaftsleben leistet ein großer Teil der Migranten trotz sprachlicher und bürokratischer Hürden ihren Beitrag, ohne den die deutsche Wirtschaft nicht überlebensfähig wäre. So meldeten sie in den vergangenen Jahren etwa jedes dritte neue Gewerbe in Berlin an. Dennoch ist nicht abzustreiten, dass vielen Zuwanderern mangels Sprachkenntnissen der Zugang zu Arbeitsmarkt und Sozialleben unmöglich bleibt. Auch diejenigen, die kein Deutsch sprechen, besitzen Qualifikationen und Fähigkeiten, auf die Berlin insbesondere als Wirtschaftsstandort nicht verzichten kann. Ziel staatlichen Handelns muss es daher sein, diese Barrieren aus dem Weg zu räumen. Gerade Zuwanderern, die über keine oder nur geringe Kenntnisse der Sprache und der bürokratischen Normen verfügen, muss der Zugang zu Sprachkursen und Qualifikationsangeboten erleichtert werden. Zudem stehen viele Migranten vor hohen Hürden, die sich mit dem Ziel, ein Gewerbe anzumelden und sich eine selbstständige Existenz zu sichern, einem unverhältnismäßigen Bürokratieapparat ausgesetzt sehen.
Konkret fordern die Jungen Liberalen Berlin daher, dass Englisch als international anerkannte Verkehrssprache mittelfristig zweite Verwaltungssprache in den Berliner Ämtern wird.
In einer globalisierten Welt mit fortschreitender Personenfreizügigkeit stellen formale Bedingungen für bestimmte berufliche Tätigkeiten einige der größten Freizügigkeitshemmnisse dar. Da in vielen anderen Ländern Bildungssysteme existieren, die mit dem speziellen dualen Bildungssystem in Deutschland nur schwer vergleichbar sind, wird die Anerkennung der bisherigen Lebensleistung von Zuwanderern oftmals erschwert. Gerade älteren Zuwanderern ist ein vollständiger Neuerwerb der Leistungsnachweise nicht mehr möglich. Menschen mit wertvollen Fähigkeiten, die im Ausland erworben wurden, dürfen jedoch nicht mit künstlichen Schranken vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden. Daher setzen sich die Jungen Liberalen dafür ein, dass eine Anerkennung ausländischer Abschlüsse bei vergleichbarer Qualifikation möglichst schnell, einfach und unbürokratisch erfolgen kann. Außerdem soll im Ausland gesammelte Berufserfahrung ergänzend den Zugang zu Abschlussprüfungen für Ausbildungsberufe ermöglichen.
Integration im (früh-)kindlichen Alter
Erfolgreiche Integrationspolitik setzt bereits in den Kinderjahren an. Auf die Vermittlung von Sprachkompetenzen muss bereits im Kindesalter das Augenmerk gesetzt werden.
Daher fordern die Jungen Liberalen ein verbindliches letztes KiTa-Jahr. In diesem Jahr sollen gezielt die Sprachkenntnisse aller Kinder erweitert werden, um zu Beginn der Schullaufbahn gleiche Chancen zu schaffen. In diesem Zusammenhang regen die Jungen Liberalen Berlin zudem an, dass vermehrt Menschen mit Migrationshintergrund die Betreuung in Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen übernehmen. Sie verfügen, entsprechend geschult, über kulturübergreifende Kompetenzen und sind in der Lage Sprachbarrieren zu überwinden. Die Eltern mit Migrationshintergrund können leichter ein Vertrauensverhältnis zu den Betreuern und Lehrern aufbauen, da diese die Probleme der Kinder besser nachvollziehen können. Durch gesteigertes Vertrauen werden Eltern mit Migrations-hintergrundihre Kinder häufiger in entsprechende Betreuungseinrichtungen geben, lernen deutsche und nichtdeutsche Eltern kennen und können sich über alltägliche Probleme und Gegebenheit austauschen.
Liberale halten es für notwendig, dass durch staatliche Bildung ein tolerantes, demokratisches Selbstverständnis vermittelt wird. Dies bedeutet konkret, dass ein Kind lernt, zwischen persönlicher Überzeugungen bzw. eigenen Vorlieben und allgemeiner Gültigkeit von Normen zu unterscheiden. Ein integrativ wirkendes Bildungssystem rückt die säkulare Werteordnung unserer Gesellschaft in den Vordergrund, lehrt damit jedoch gleichermaßen Respekt und Toleranz gegenüber jeglichen religiösen und weltanschaulichen Bekenntnissen und klärt über diese auf. Die Jungen Liberalen Berlin schlagen deshalb ein neues Modell für den Religionsunterricht vor, der das allgemeine Verständnis aller Religionen und damit Toleranz fördern soll. Dabei sollen die Schüler aller Schulformen statt an einem Bekenntnisunterricht an einem wertneutralen Religionskunde- und Ethikunterricht teilnehmen, wie dies bereits im Land Berlin, auch durch Volksentscheid bestätigt, bereits der Fall ist. Durch diesen langjährigen und gemeinsamen Unterricht können alle größeren Religionsgruppen differenziert dargestellt werden. Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes soll entsprechend geändert werden.
Religionsunterricht sollte grundsätzlich in keinem Zusammenhang zum konventionellen Unterricht stehen und von einzelnen Religionsgemeinschaften selbstständig durchgeführt werden. Schulische Räumlichkeiten können dafür mit Zustimmung der Schulleitung genutzt werden. Hierbei gilt das Prinzip der Nichtdiskriminierung einzelner Religionsgemeinschaften. Ein Besuch des eigenen Religionsunterrichtes befreit nicht vom Besuch des Ethikunterrichts, in dem über sämtliche Weltanschauungen aufgeklärt werde soll.
Integration ist jedoch mehr als nur eine Frage des Religionsunterrichts, mehr als eine Frage von gemeinsamer Sprache. Gemeinsamer Unterricht zwischen allen Schülern, egal welcher Herkunft, ist hierfür ebenfalls unentbehrlich. Kinder aus kulturellen oder religiösen Gründen von bestimmten Lehrveranstaltungen oder vom gesamten Schulunterricht zu befreien, sehen wir deshalb grundsätzlich kritisch – der staatliche Bildungsauftrag kann nicht zur Disposition von Eltern und Schülern gestellt werden. Er darf zugleich aber auch nicht pauschal gegenüber dem Erziehungsrecht der Eltern sowie der Bekenntnis- und Gewissensfreiheit von Eltern und Schülern priorisiert werden. Eine Befreiung von übrigen Unterrichtsinhalten oder Schulveranstaltungen auf Grundlage religiöser oder weltanschaulicher Gründe darf deshalb lediglich auf einer einzelfallbezogenen Entscheidung beruhen, die die Bekenntnisfreiheit des Schülers und die religiöse Erziehungsfreiheit der Eltern mit dem staatlichen Bildungsauftrag in Abwägung bringt und eine Befreiung als ultima ratio begreift. Insbesondere müssen vorher alle weniger einschneidenden Maßnahmen, bspw. das Tragen sog. „Burkinis“ im Schwimmunterricht, in Betracht gezogen und falls möglich durchgeführt werden.
Jenseits des verbindlichen Unterrichtslehrplanes, der für alle Schüler gilt, muss die individuelle Handlungsfreiheit gewährleistet werden. Vorschriften bezüglich der Bekleidung oder der Umgangssprache der Schüler würden in dieses fundamentale Freiheitsrecht eingreifen und sind daher abzulehnen. Daher sprechen sich die Jungen Liberalen gegen ein Kopftuchverbot oder eine Deutschpflicht auf Schulhöfen aus.
Werte wie Freiheit, Toleranz und Menschenwürde sind Eckpfeiler unserer freiheitlichen Grundordnung und müssen von Anbeginn als Lehrinhalte in allen Fächern vermittelt werden.
Integration als gesamtgesellschaftlicher Prozess
Integration und gemeinsamer Umgang stellen einen gesamtgesellschaftlichen Prozess dar, zu dessen Hemmnissen und Problemen die Politik nur schwer Zugang finden kann. Die Jungen Liberalen Berlin begrüßen daher zivilgesellschaftliches Engagement und Projekte mit dem Ziel, sich dieser Aufgabe anzunehmen. Oftmals werden solche Unternehmungen von Migranten, die selbst die mit einer Einwanderung verbundenen Hürden überwunden haben, organisiert. Den Erfahrungsschatz und das Netzwerk dieser Menschen zu nutzen, ist notwendig, um attraktivere Integrationsangebote zur Verfügung stellen zu können.
Die Felder, auf denen bereits solche privaten Initiativen erfolgten, sind vielfältig. Diese können sich beispielsweise Angebote an Bildung, Eingliederung ins Erwerbsleben oder spezifische Beratungen zum Ziele setzen. Erfolgreiche Initiativen sind beispielsweise das Berufliche Qualifizierungsnetzwerk für Migrantinnen und Migranten in Berlin (BQN) oder der Migrationsrat Berlin&Brandenburg .
Private Initiativen sind vom Land Berlin daher stärker als bisher zu fördern.
Integration durch politische Partizipation
Das Recht auf Teilnahme am politischen Geschehen ist für Liberale das Grundrecht eines jeden Menschen, das weder aufgrund der Herkunft noch des Passes eingeschränkt werden darf. Der bisherige Zustand, dass Bürger staatlicher Gesetzgebung unterworfen sind, ohne dass sie die Möglichkeit haben, selbige über Wahlen mit zu beeinflussen, ist mit einem liberalen Demokratieverständnis nicht vereinbar. Daher fordern die Jungen Liberalen Berlin das Ausländerwahlrecht auf allen Ebenen. Voraussetzung für das Wahlrecht soll nur ein dauerhafter Aufenthalt und Wohnsitz von mindestens 3 Jahren sein.
Fremdenfeindlichen Ressentiments entschieden entgegentreten!
Die Jungen Liberalen Berlin beobachten die seit einigen Monaten angespannte Stimmungslage unter den Bürgern zur Integrations- und Migrationspolitik mit Sorge und befürchten, dass im Kern illiberale und von Fortschrittsangst getriebene Akteure hierdurch erstarken. Hinter Demonstrationen gegen „religiösen Fanatismus“ verbergen sich allzu oft nationalkonservative Motive, die zu pauschalisierten Urteilen über andere Bevölkerungsgruppen verleiten. So werden Asylbewerber und Immigranten, insbesondere aus dem Nahen Osten oder Afrika, pauschal als Asylbetrüger denunziert. Dies lehnen die Jungen Liberalen Berlin entschieden ab und warnen vor erneut aufkommendem Vokabular aus Zeiten des Dritten Reiches. Begrifflichkeiten wie „Volksschädlinge“ beschädigen das weltoffene Bild Deutschlands in der Welt ebenso wie eine sachlich nicht begründbare Furcht vor der „Islamisierung“ Westeuropas. Die Jungen Liberalen halten diese Furcht für unbegründet und bekennen sich im Gegenteil dazu, in der schieren statistischen Vermutung eines steigenden Bevölkerungsanteils muslimischer Mitbürger keinen pauschalen Nachteil ausmachen zu können. Für einen Jungen Liberalen ist nicht die religiöse Zugehörigkeit oder die Herkunft entscheidend, sondern das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Vor diesem Hintergrund lehnen die Jungen Liberalen Berlin insbesondere die Forderungen von pegida und deren regionalen Ablegern entschieden ab und setzen sich in ihrer politisch-gesellschaftlichen Arbeit dafür ein, ihrem toleranten gesellschaftlichen Gegenentwurf Ausdruck zu verleihen.
Nur eine Gesellschaft, die offen und tolerant ist, die fremden Menschen aufgeschlossen entgegentritt und sie aktiveinbezieht, kann eine Gesellschaft mit gelungener Integration sein. Es ist die originäre Aufgabe des Staates, religiöse und ethnische Minderheiten und Menschen mit Minderheitslebensentwürfen zu schützen. Dies gilt unabhängig davon, ob diese durch eine Mehrheit der Bevölkerung oder eine Minderheit bedroht werden. Eine bestimmte Staatsangehörigkeit ist keine Voraussetzung für die persönliche Freiheit. Und die Freiheit der Lebens-und Redensart für alle, die in Deutschland leben wollen ist es, was Deutschland von unfreien Ländern unterscheidet, aus denen viele zu Recht flüchten. Dieser hohe Anspruch an unsere Gesellschaft muss aufrechterhalten werden, Fremdenhass ist mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu begegnen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob dieser sich von Rechts gegen Ausländer mit anderen als Europäischen Wurzeln richtet. Oder ob er von Links ausgeht um ausländische Investitionen zu verhindern oder von der Entscheidung in einer bestimmten Gegend Berlins zu leben abschrecken soll.
Unsere Vorstellung einer freiheitlichen Gesellschaft des Respekts vor dem Individuum steht per Definition in politischem Kalkül geschürten Ressentiments entgegen. Dennoch bestimmt die Maxime der Meinungsfreiheit aber auch, dass der einzige Weg, diesen politischen Strömungen zu begegnen, kein Herabfallen auf selbiges Niveau sein darf. Parteien und Organisationen, die Ressentiments schüren und Ängste instrumentalisieren, darf nicht mit derselben physischen oder seelischen Gewalt entgegengetreten werden. Im Sinne wahrhaft demokratischer Gedanken muss das Ziel sein, diesen Strömungen mit Sachlichkeit und Aufklärung zu begegnen.
Wir fordern daher auch unsere politischen Verbündeten im Einsatz um eine offene Gesellschaft auf, auf Fronten verhärtenden Populismus zu verzichten, sondern im Umgang mit pegida und deren Unterstützern auf die sachliche Überlegenheit unserer Argumente zu vertrauen. Auf der Demagogenwelle mit populistischen Forderungen bei Wählern am konservativen Rand punkten zu wollen, lehnen die Jungen Liberalen ausdrücklich ab.