08.11.2025

Hochschulen als Motor für Innovation und Unternehmertum stärken

I. Problemstellung

Deutschland verfügt über eine exzellente Forschungslandschaft. Die deutschen Hochschulen leisten international anerkannte Grundlagenforschung, insbesondere in den Bereichen Ingenieurwesen, Naturwissenschaften und Informatik. Dennoch gelingt es bisher zu selten, diese Erkenntnisse in marktfähige Anwendungen, Unternehmensgründungen und wirtschaftliche Verwertung zu überführen. Laut dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) bleibt Deutschland bei  der Zahl forschungsbasierter Ausgründungen deutlich hinter Innovationsführern wie den USA zurück (vgl. DAAD Journal 2022). Damit verschenkt Deutschland ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial. 

Ein zentrales Defizit ist der fehlende Transfer von Wissen, Technologien und unternehmerischem Potenzial in reale Märkte. Laut Studien gelingt es der deutschen Hochschullandschaft trotz hoher Forschungsinvestitionen nur   unzureichend, daraus erfolgreiche Wachstumsunternehmen hervorzubringen. Die Zahl technologieorientierter Start-ups, die aus Hochschulen hervorgehen und global skalieren, ist vergleichsweise gering – Deutschland liegt laut EU-Vergleich bei forschungsbasierten Ausgründungen deutlich hinter den USA, aber auch hinter Ländern wie Israel oder Schweden.

 II. Zielsetzung

Die Jungen Liberalen Berlin fordern eine strategische Neuausrichtung der deutschen Wissenschafts-, Gründungs- und Innovationspolitik: Hochschulen sollen stärker als bisher als Orte des Wissens- und Technologietransfers begriffen und entsprechend finanziell, rechtlich und kulturell gestärkt werden. Ziel ist es, den Transfer aus der Forschung in Gründungen, Produktinnovationen und industrielle Anwendungen messbar zu erhöhen – ohne die Freiheit von Lehre und Forschung einzuschränken.

 III. Forderungen

 1. Anreizsysteme für Forschungstransfer etablieren

  • Wir fordern die Einführung von Anreizmechanismen für Hochschulmitarbeitende und Professoren, die Forschungsergebnisse in  Form von Patenten, Ausgründungen oder Kooperationen mit der Wirtschaft verwerten.
  •  Die Bewertung wissenschaftlicher Leistungen muss neben Publikationen auch Transferindikatoren wie Patente, Spin-offs und Drittmittelprojekte einbeziehen

 2. Gründungsförderung an Hochschulen flächendeckend ausbauen

  • Wir fordern den Auf- und Ausbau hochschulischer Gründungszentren, Inkubatoren und Accelerator-Programme nach dem Vorbild von UnternehmerTUM (TU München) (vgl. UnternehmerTUM 2024).
  • Hochschulen sollen Zugang zu EXIST-Förderprogrammen des Bundeswirtschaftsministeriums aktiv nutzen und gezielt auf unterrepräsentierte Gruppen wie Frauen oder internationale Studierende ausweiten (vgl. EXIST-Women 2023).

3. Technologietransferstellen professionalisieren und nachhaltig finanzieren

  • Die bisher oft projektfinanzierten Transferstellen an Hochschulen müssen durch dauerhafte Grundfinanzierung gesichert und mit klarem Leistungsauftrag ausgestattet werden (vgl. IW Köln 2022).
  • Kooperationen mit Industrie, Handwerk und Mittelstand sollen verstärkt durch regionale Innovationsnetzwerke und Clustermanagements gefördert werden.

 4. Rechtliche Innovationshemmnisse abbauen

  • Hochschulpersonal soll unter klaren Bedingungen das Recht auf Nebentätigkeit in Start-ups und Spin-offs erhalten, ohne unverhältnismäßige Genehmigungsauflagen.
  •  Die Regeln zur Nutzung universitärer Infrastruktur durch Ausgründungen müssen einheitlich und gründerfreundlich ausgestaltet werden.

 5. Innovationskultur an Hochschulen stärken

  • Wir fordern eine gezielte Sensibilisierung für Unternehmertum und Innovation bereits im Studium durch verpflichtende Wahlmodule, Gründungsseminare und unternehmerische Fallstudien.
  • Positive Vorbilder, etwa erfolgreiche Ausgründungen aus der eigenen Hochschule, sollen sichtbar gemacht werden, um eine lebendige Gründungskultur zu fördern (vgl. DAAD Journal 2022).

6. Startup Factories nach Vorbild UnternehmerTUM aufbauen

  • Die Jungen Liberalen Berlin fordern den bundesweiten Aufbau von mindestens zehn hochschulnahen Gründungszentren nach dem Modell der UnternehmerTUM GmbH. Diese „Startup Factories“ sollen wissenschaftliche Ausgründungen aktiv begleiten, Studierende und Forschende gezielt mit Kapital, Mentoring und Infrastruktur versorgen und eng mit regionaler Industrie und Kapitalgebern kooperieren.
  • Erfolgsfaktoren wie klare Zuständigkeiten, ein leistungsbasiertes Team, technologische Exzellenz, internationale Vernetzung und ein starker Venture-Capital-Zugang sollen in einem Bundesrahmenprogramm verankert werden.

7. Vergaberecht modernisieren – faire Chancen für Start-ups

  • Öffentliche Ausschreibungen sollen so reformiert werden, dass auch junge Unternehmen ohne langjährige Referenzen Zugang zu Aufträgen erhalten.
  • Insbesondere in sicherheitsrelevanten Bereichen (z. B. Digitalisierung, Verteidigung, Energie) kann dies zur Stärkung europäischer technologischer Souveränität beitragen.

8. Kapitalzugang erleichtern – Gründungen in die Wachstumsphase bringen

  • Neben Frühphasenförderung braucht es einen deutlich stärkeren Fokus auf Wachstumsfinanzierung: Der Zukunftsfonds des Bundes ist weiter auszubauen und soll gezielt institutionelle Investoren wie Pensionsfonds einbinden.
  • Wir fordern die Entwicklung eines liquiden Sekundärmarkts für Start-up-Anteile, um Kapitalgebern früher Exit-Optionen und Gründern Liquidität zu ermöglichen.
  • Steuerliche Anreize für Reinvestitionen nach einem Exit, Mitarbeiterbeteiligungen und Venture-Capital-Fonds sind auszuweiten.
  • Eine Unternehmens- und Gründungsfreundliche Hochschulkultur. Ausgründungen und Kooperationen dürfen nicht länger durch übersteigerte Anteils- und Governanceforderungen durch Technology Transfer Offices der Hochschulen behindert werden.

9. Gründungsbürokratie abbauen – digitale Gründung ermöglichen

  • Eine GmbH-Gründung soll innerhalb von 24 Stunden vollständig digital möglich sein. 
  • Alle behördlichen Schritte – von der Anmeldung über Genehmigungen bis zur IP- Registrierung – sollen in einem One-Stop-Shop gebündelt und vollständig digitalisiert werden.

10. Gesellschaftliches Klima für Unternehmertum verbessern

  • Wir fordern eine stärkere öffentliche Sichtbarkeit erfolgreicher Gründer – auch aus Hochschulen – als Teil einer positiven Innovationskultur.
  • Unternehmerische Einkommen und Vermögen dürfen nicht pauschal diskreditiert oder überdurchschnittlich belastet werden – Innovation muss sich lohnen.
  • Unternehmertum ist ein wesentlicher Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen – von Klimaschutz bis Digitalisierung – und muss als solcher auch politisch kommuniziert werden.

11. Aus der Mitteltechnologiefalle ausbrechen – Hochschulen als Treiber radikaler Innovationen aufstellen

  • Die EU und Deutschland verharren in der sogenannten Mitteltechnologiefalle: Ein Großteil der industriellen F&E konzentriert sich auf mittlere Technologien (z. B. Automobilindustrie), während disruptive High-Tech-Bereiche wie KI, Biotechnologie oder Softwareentwicklung unterrepräsentiert bleiben (vgl. Fuest et al. 2024).
  • Wir fordern eine gezielte Förderung radikaler Innovationen an Hochschulen durch Reform der Förderstruktur nach dem Vorbild von ARPA-Modellen (z. B. SprinD in Deutschland, DARPA in den USA). In diesem Kontext wollen wir die Europäische Verteidigungsagentur (EVA) zu einem echten Motor für Innovationen im militärischen Bereich ausbauen. Durch militärische Spitzenforschung schützen wir auch die strategische Autonomie und Verteidigungsfähigkeit der EU.
  • Hochschulen müssen dabei als Inkubatoren für Projekte mit hoher Unsicherheit, aber potenziell transformativem Charakter fungieren – nicht nur als verlängerte Werkbank für industrielle Optimierung.

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