Für eine erfolgreiche Berliner FDP!

Bestandsaufnahme

Die Berliner FDP steht am 18. September 2011 vor der Herausforderung, erneut den Sprung ins Abgeordnetenhaus zu schaffen. Angesichts der bisherigen Wahlprognosen ist ernstlich zu befürchten, dass der Wiedereinzug für die FDP Berlin eine Zitterpartie wird. Hierfür trägt nicht nur die Bundespartei einen erheblichen Teil der Verantwortung, ebenso ist auch die Berliner FDP selbst in gehörigem Maße in die Pflicht zu nehmen:

Insbesondere angesichts des uns bevorstehenden, schwierigen Wahlkampfes muss sich die FDP Berlin daher fragen lassen, in welchem Maße ihre inneren Strukturen dazu beitragen, als Partei erfolgreich nach außen zu treten. Für uns Junge Liberale steht hierbei fest, dass der Erfolg einer Partei in entscheidendem Maße von einer offenen Diskussionskultur, attraktiven Mitmachmöglichkeiten und transparenten Strukturen abhängt.

Die Jungen Liberalen sehen in der aktuell bedenklichen Situation der FDP Berlin folgende Ursachen und Herausforderungen:

  • Die FDP ist eine in West-Berlin verwurzelte Partei geblieben, ihr gelang es bisher nicht, sich erfolgreich und mit festen Strukturen in den Ostbezirken der Stadt zu etablieren. Bis heute ist die FDP dort lediglich marginal vertreten und hätte sowohl 2001 als auch 2006 den Einzug ins Parlament verpasst. Ebenso hat die FDP in den meisten Ostbezirken keinen Fraktionsstatus in den BVVen. Zwei Berliner Wahlkreise (Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost) sind auch bundesweit die mit Abstand schwächsten Wahlkreise der FDP bei den Bundestagswahlen 2005 und 2009 gewesen.
  • Die FDP muss attraktiver für Neumitglieder werden. Bisher gelingt ihr dies nicht in ausreichendem Maße. Statt mit oben genannter offener Diskussionskultur, attraktiven Mitmachmöglichkeiten und transparenten Strukturen aufzuwarten, bietet sich dem Neumitglied eine vom Kiezproporz geprägte Struktur die zudem wenig basisdemokratisch ausgestaltet ist und vor Mitarbeit eher abschreckt als zu ihr einlädt.
  • Die Spitzenpositionen in den BVVen, dem AGH und dem Bundestag sind fast ausschließlich mit langjährigen Parteifunktionären besetzt. Es ist leider kaum zu bestreiten, dass die FDP Berlin über kein überparteilich oder gar im Volke bekanntes Gesicht verfügt.
  • Die FDP muss für Frauen attraktiver werden. Jede Wahlanalyse bestätigt ein erhebliches Defizit bei weiblichen Wählern in allen Altersgruppen. Trotzdem dieses ernste Problem seit langem bekannt ist, sind die Parteistrukturen durchgehend männlich dominiert. In zwölf Bezirksverbänden gibt es gerade einmal eine Bezirksvorsitzende. Im 15-köpfigen Landesvorstand sitzt gerade eine einzige Frau und die ursprünglich 13-, jetzt nur noch 11-köpfige Abgeordnetenhausfraktion hat gerade einmal zwei weibliche Mitglieder, von denen nicht eine im Fraktionsvorstand vertreten ist.
  • Teilweise wird die FDP nachwievor von den Nachwehen der Flügelkämpfe der 90er, in denen verschiedene Flügel der Partei versuchten, sich gegenseitig durch die sogenannte „Lastwagendemokratie“ (also den gezielten Eintritt von zahlreichen Mitgliedern in bestimmten Untergliederungen) zu übernehmen, geprägt. In diesen Bezirksverbänden versucht man die Aufnahme von neuen Mitgliedern, z.B. durch fortgesetztes Ignorieren, zu verhindern und generiert im Bedarfsfall Mitgliederzuwächse aus dem eigenen Umfeld, um bestehende Mehrheitsverhältnisse und die sie tragenden Mehrheiten nicht zu gefährden.

Wir Junge Liberale Berlin begnügen uns nicht mit der phlegmatischen Antwort, dass Politik so nun mal sei und vergleichbare Strukturen in allen Parteien und Landesverbänden mehr oder weniger bestehen. Wir Jungen Liberalen erwarten von der nachwievor einzig liberalen Partei im Land, dass sie die ihr zugrundeliegenden Ideale lebt und in einer vielseitigen wie jungen Stadt Berlin modern und weltoffen auftritt. Es bedarf vielmehr offener und ehrlicher innerparteilicher Debatten und Kontroversen, um den Liberalismus als solchen für Berlin wieder fruchtbar zu machen und die Berliner FDP konkret voranzubringen.

Hierfür werden wir Jungen Liberalen Berlin uns insbesondere vor und ebenso nach dem 18. September 2011, unabhängig vom Wahlergebnis, einsetzen und rufen alle Liberalen in der FDP auf, uns bei unseren Forderungen zu unterstützen.

Diese verstehen wir als aufrichtiges Gesprächsangebot an die Berliner FDP, die wir bei ihrem, wie wir finden, erforderlichen Erneuerungsprozess ernsthaft, konstruktiv und mit dem gebotenen politischen Druck, den Veränderung notwendigerweise benötigt, begleiten wollen. Die Erfahrungen aus unserem Verband dienen uns hierbei als Hilfe und Richtschnur zugleich.

Forderungen

Die FDP Berlin muss angesichts der genannten Herausforderungen bereit sein, Strukturveränderungen einzuleiten. Wenngleich dem letztlich auch personelle Konsequenzen folgen dürften, darf dies kein Motiv sein, sich diesen notwendigen Erneuerungen zu verschließen. Wir Liberale wissen und haben erst kürzlich neuerlich erfahren, dass jedweder Fortschritt die Umgestaltung gegebener Strukturen bedingt.

Die FDP Berlin muss sich unserer Ansicht nach zuvörderst um die Demokratisierung ihrer Binnenstrukturen bemühen: Basisdemokratie darf kein Feindbild mehr innerhalb der FDP sein, sondern muss vielmehr als eine Chance zur permanenten Selbsterneuerung und -überprüfung begriffen werden. Nur Entscheidungen, die von dem breitestmöglichen Gremium in einem offenen und für alle einsehbaren Verfahren beschlossen werden, fördern breite Akzeptanz und generieren die Unterstützung der gesamten Partei. Wir halten es daher für unerlässlich, insbesondere den einfachen Mitgliedern die politische Willensbildung über Basis- bzw. Mitgliederversammlungen statt wie bisher über Delegiertengremien ermöglichen.

Um die FDP Berlin darin zu unterstützen, sich aus ihrer bedenklichen Lage zu befreien, schlagen wir Jungen Liberalen Berlin in 10 Punkten die folgenden strukturellen Veränderungen vor:

  • Verkleinerung des Landesparteitages

Statt wie bisher 350 Delegierte, soll sich der Landesparteitag zukünftig nur noch aus 200-250 in den Ortsverbänden gewählten Delegierten zusammensetzen. Diese Verkleinerung macht es möglich, in erheblichem Maße Kosten zu sparen und erlaubt es, zumindest zweimal im Jahr zu tagen.

  • Mitgliederrechte auf dem Landesparteitag

Anders als bisher soll zukünftig jedes Parteimitglied Rederecht auf dem Landesparteitag erhalten – unabhängig von der Frage, ob es Delegierter ist oder nicht. Auch soll zukünftig jeder Einzeldelegierte Antragsrecht haben (bisher nur mindestens 5% der Gesamtdelegierten = mindestens 18 Delegierte auf Landesparteitagen oder 5 Delegierte im Landesausschuss).

  • Abschaffung des Landesausschusses

Dieses sich aus 84 von den Bezirksausschüssen gewählten Delegierten zusammensetzende Gremium stellt einen etwa viermal jährlich tagenden „kleinen Landesparteitag“ dar. Aufgrund des Wahlverfahrens finden sich hier häufig alle Funktionsträger, kaum aber Basismitglieder, als Delegierte wieder. Der Tagungsrhythmus – meist werktags ab 19:30 Uhr mit zahlreichen Berichten – lässt umfassende inhaltliche Arbeit kaum zu. Wir fordern deshalb die Abschaffung des Landesausschusses zugunsten eines zweiten, oder ggf. auch dritten Landesparteitags im Jahr.

  • Abschaffung der Bezirksausschüsse

Statt dieser Delegiertengremien (in Lichtenberg aus 15, in großen Bezirken aus 45 Delegierten bestehend) soll zukünftig ein Bezirksparteitag, in dem jedes Mitglied des Bezirksverbandes stimmberechtigt ist, die wesentliche politische Willensbildung innerhalb des Bezirksverbandes, die Aufstellung der Wahllisten zu den BVVen und die Wahl des Bezirksvorstandes vornehmen.

  • Verbindlichkeit der Landesliste

Zu zukünftigen Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin werden die MdA ausschließlich über eine Landesliste aufgestellt, schließlich sind die MdA der FDP Abgeordnete Berlins und nicht nur ihres Bezirksverbands. So lässt sich zudem eine ausgewogene Gesamtliste für das Abgeordnetenhaus und ebenso die für die Spitzenkandidaten benötigte Prominenz erzielen. Die Delegierten zur entsprechenden Landeswahlversammlung sollen gemäß den Vorgaben des Landeswahlgesetzes (wie auch schon nach dem Bundeswahlgesetz bei der Landeslistenerstellung praktiziert) durch eine Bezirksmitgliederversammlung basisdemokratisch gewählt werden.

  • Zuschnitt der Ortsverbände

Anders als bisher sollen sich die Ortsverbände zwingend an dem Zuschnitt der jeweiligen Wahlkreise in ihrem Bezirk orientieren. Somit werden willkürliche und politisch begründete Zuschnitte verhindert. Sofern ein Ortsverband aus weniger als 20 Mitgliedern bestehen sollte, soll weiterhin die Möglichkeit bestehen, ihn mit einem angrenzenden Ortsverband zusammen zu legen.

  • Verbindlichkeit des Domizilprinzips / Neuregelung der LPT-Delegiertenberechnung

Wir wünschen uns eine konsequente Einhaltung des Domizilprinzips („Man ist dort Mitglied, wo man wohnt.“), denn nur damit kann eine gefährliche Verzerrung in der innerparteilichen Repräsentation vermieden werden. Wir stellen jedoch fest, dass viele Berliner ihren Lebensmittelpunkt außerhalb des Orts- und Bezirksverbandes indem ihr Wohnsitz liegt haben. Mit besonderer schriftlicher Begründung soll weiterhin der Orts- und Bezirksverband gewechselt werden dürfen. Um sicher zu stellen, dass beispielsweise vor Wahlen keine auffälligen Mitgliederverschiebungen und Aufnahmeprozesse stattfinden, ist ein gesondertes Gremium auf dem Landesparteitag zu wählen, dessen Aufgabe die Mitgliederbetreuung und auch die Überwachung der Aufnahme- und Umtrittsprozesse ist. Bei Auffälligkeiten soll es die Möglichkeit bekommen, den Aufnahme- bzw. Umtrittsprozess einzufrieren und dem Landesvorstand einen Vorschlag zum weiteren Verfahren zu unterbreiten.

In diesem Zusammenhang lässt sich ebenfalls das nur im Landesverband Berlin praktizierte Delegiertenberechnungsverfahren anhand von Mitgliedsmonaten unter Berücksichtigung selbst ausgeschiedener Mitglieder zugunsten einer einfacheren (und in anderen Landesverbänden üblichen) Stichtagsregelung abschaffen.

  • Erweiterter Landesvorstand

In der Satzung ist ein erweiterter Landesvorstand (Landesvorstand zuzüglich jeweils eines Bezirksvertreters) mit regelmäßigem Tagungsrhythmus zur besseren Verknüpfung von Landespartei und Bezirksverbänden aufzunehmen.

  • Grundsatz der offenen Debatte

Auf Bezirks- und Landesparteitagen sollen die Delegierten – ausgenommen ist der Leitantrag des Bezirks- oder des Landesvorstandes – zukünftig selbst über die Beratungsreihenfolge der eingereichten Anträge nach dem Prinzip des bereits bei den Jungen Liberalen praktizierten und bewährten „Alex-Müller-Verfahrens“(das heißt schlichtweg Alex-Müller-Verfahren und nicht anders!) entscheiden. Debatten über Änderungsanträge sind ebenfalls grundsätzlich offen zu führen – lediglich auf Antrag aus dem Gremium soll die Beschränkung der Debatte auf Rede und Gegenrede möglich sein.

  • Geheime und freie Wahlen

Zur Gewährleistung der Geheimhaltung und der Freiheit der Wahlentscheidung sind auf Wahlversammlungen und Parteitagen mit Vorstandswahlen zukünftig Wahlkabinen aufzustellen und durch die Zählkommission sicherzustellen, dass diese Wahlkabinen auch benutzt werden. Das bisherige Ausfüllen von Stimmzetteln am Sitzplatz bietet zu viele Missbrauchsmöglichkeiten, z.B. durch selbstauferlegtes offenes Ausfüllen zum „Beweis“ einer Loyalität.

Sämtliche vorgenannten Punkte erfordern eine Satzungsänderung. Da Satzungsdebatten meist langatmig und ermüdend sind und die bisherige Landessatzung derart viele Regelungswidersprüche und –Alternativen vorsieht, rufen wir den Landesvorstand der Berliner FDP dazu auf, nach den Wahlen im Herbst eine Kommission einzuberufen, die innerhalb eines Jahres einem gesondert hierfür einzuberufenden Landesparteitag eine komplett neue Satzungsfassung unter Berücksichtigung der vorgenannten Punkte vorzulegen hat.