Freiheit und Sicherheit

Präambel

Die Wahrung der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ist in Zeiten terroristischer Bedrohungen des Staates und der Staatsbürger oftmals schwierig. Gleichwohl ist diese Balance unverzichtbar für die Wahrung unserer Bürgerrechte, für die Freiheit der Gesellschaft und so nicht zuletzt für den Bestand unseres gesamten Rechtsstaates. Die Verhältnismäßigkeit im Umgang mit der Bedrohung muss bei jeder Abwägung geprüft und bei jeder Maßnahme sichergestellt werden.

Gerade die Bundeshauptstadt Berlin ist von den Entwicklungen im Bereich der inneren Sicherheit besonders betroffen. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass insbesondere die Hauptstädte meist Ziel terroristischer Anschläge waren. Aus diesem Grund sind gerade für Berlin vielfältige Maßnahmen mit dem Ziel der Erhöhung der Sicherheit zu erwarten. Schon heute ist dies an der weit verbreiteten Kameraüberwachung und dem Auftreten diverser Wachdienste im Berliner Zentrum erkennbar. Zudem werden aus Berliner Ministerien immer wieder Rufe nach weiteren Maßnahmen zur Herstellung von mehr Sicherheit laut, in der letzten Zeit vor allem durch Äußerungen von Bundesverteidigungsminister Jung und Bundesinnenminister Schäuble.

Achtung der Grundrechte

Die Jungen Liberalen sind sich der Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus bewusst. Seit den Anschlägen des 11. September 2001 in den USA, spätestens jedoch nach den Anschlägen in Madrid und London, im Herzen Europas, ist die neue Bedrohungslage für jeden Bundesbürger klar erkennbar. Diese Gefahr gilt es entschlossen und unermüdlich zu bekämpfen.

Dieser Kampf jedoch muss mit den Mitteln des Rechtsstaates und auf dem Boden des Grundgesetzes geführt werden. Er darf nicht dazu führen, dass Bürgerrechte missachtet, eingeschränkt oder abgebaut werden. Der Staat kann die Freiheit der Bürger nicht schützen, indem er sie aufgibt. Die Jungen Liberalen fordern die Bundesregierung daher auf, sich klar zu unseren verfassungsrechtlichen Grundwerten zu bekennen und die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zu achten.

Die Ankündigung von Verteidigungsminister Jung, ein Verkehrsflugzeug, von dem eine terroristische Bedrohung ausgeht, abschießen zu lassen, missachtet das strikte Verbot des Grundgesetzes, menschliches Leben gegeneinander abzuwägen. Ein Abschuss und damit die Tötung unschuldiger Passagiere würde gegen das Recht auf Leben in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes verstoßen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner entsprechenden Entscheidung noch einmal explizit klargestellt. Der Verteidigungsminister wird aufgefordert, seine Ankündigung öffentlich zurückzunehmen und sich klar zu der Verfassung zu bekennen, auf die er bei Amtsantritt einen Eid geschworen hat. Die Julis lehnen daher die Ausdehnung des sog. Verteidigungsfalls durch eine GG-Änderung ab.

Des Weiteren fordern die Jungen Liberalen auch Bundesinnenminister Schäuble dringend dazu auf, endlich wieder auf den Boden des Gesetzes zurückzukehren. Der Bundesinnenminister ist als Verfassungsschutzminister in besondere Weise dazu verpflichtet, Gesetz und Recht zu achten. Dessen ungeachtet hat der Minister wiederholt zentrale rechtstaatliche Grundsätze wie die Unschuldvermutung in Frage gestellt und über eigentlich undenkbare Tötungen auf Verdacht philosophiert. Dies ist schlichtweg nicht hinnehmbar. Für die Jungen Liberalen ist die Unschuldsvermutung ein ebenso wichtiger Grundsatz des Verfahrensrechts wie das absolute Folterverbot. Derartige Gedankenspiele führen zu einer fortschreitenden Erosion unserer Verfassungsprinzipien.

Auch sollten absurde Vorschläge des Bundesinnenministers, wie etwa so genannten „Gefährdern“ ein Kommunikationsverbot aufzuerlegen, in Zukunft besser unterbleiben, um das Amt des Innenministers nicht der Lächlichkeit preiszugeben. Der Bundesinnenminister muss auch endlich damit aufhören, die Bevölkerung durch immer neue Bedrohungsszenarien zu verunsichern und die Angst vor Anschlägen für politische Zwecke zu missbrauchen. Warnungen vor terroristischen Anschlägen mit atomarem Material dürfen nicht ins Blaue hinein gemacht und als schier unabwendbar dargestellt werden. Die Furcht vor dem Terrorismus darf nicht für die Durchsetzung von immer neuen Grundrechtseinschränkungen missbraucht werden. Die innere Sicherheit kann immer nur mit dem Rechtstaat, nie gegen ihn verteidigt werden.

So ist in diesem Zusammenhang die geplante Vorratsdatenspeicherung abzulehnen. Dieses Vorhaben, nach dem Telekommunikationsdaten von Telefon, Handy und E-Mail pauschal und ohne jeden Anhaltspunkt für eine konkrete Straftat sechs Monate lang gespeichert werden sollen, verstößt aus Sicht der Jungen Liberalen gegen das geltende Verbot anlass- und verdachtsunabhängiger Datenspeicherung. Es darf keinen Generalverdacht gegen die Nutzer von Telekommunikationsdiensten geben. Insbesondere die Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Geistlichen, Ärzten und Rechtsanwälten müssen unbedingt vor jedem staatlichen Zugriff geschützt sein. Es sollte der Politik zu denken geben, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte wiederholt verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf geäußert hat. Die FDP- Bundestagsfraktion wird aufgefordert, in den parlamentarischen Beratungen weitaus entschiedner als bislang gegen diesen Gesetzentwurf vorgehen.

Auch zu der bisweilen diskutierten Nutzung der Maut-Kameras auf Autobahnen für ein automatisches Screening von Kfz-Kennzeichen darf es nicht kommen. Ebenso wie bei der Rasterfahndung darf ein solches Verfahren ausschließlich zur Abwehr einer konkreten, drohenden Gefahr angewandt werden, ein pauschales Screening aller Verkehrsteilnehmer darf es nicht geben.

Gleichermaßen ist die systematische Sammlung personenbezogener Fluggastdaten abzulehnen. Denn bislang blieb stets völlig offen, welchen Beitrag diese Maßnahme zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus leisten soll. Auch die Forderung zur Schaffung einer „Konvertiten-Datenbank“ zur zentralen Erfassung aller Bürger, die zum Islam übergetreten sind, ist zurückzuweisen. Eine solche Datenbank verspricht keinen messbaren Sicherheitsvorteil und würde wegen ihrer stigmatisierenden Wirkung das Grundrecht auf Religionsfreiheit beeinträchtigen.

Ebenso sprechen sich die Jungen Liberalen Berlin gegen die immer weiter zunehmende Aufnahme von biometrischen Daten in Ausweisdokumente aus. Bei keinem einzigen terroristischen Anschlag der letzten Jahre spielten gefälschte Ausweispapiere irgendeine Rolle. Hier wird die aktuelle Bedrohungslage ausgenutzt, um lange favorisierte Projekte des Bundesinnenministers durchzusetzen. Auch die Einführung des Kontoabrufverfahrens und die damit verbundene Schaffung eines „Gläsernen Bankkunden“ muss rückgängig gemacht werden.

Heimliche Online-Durchsuchungen durch so genannte „Bundestrojaner“ sind strikt abzulehnen. Derartige Spionageprogramme, die in der Lage sind, jegliche private Daten wie E-Mails, Fotos und Tagebücher auszuspähen, würden regelmäßig auch in die Intimsphäre und damit in den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung eindringen. Es ist nach Aussagen von Experten schlicht unmöglich, die Software so perfekt zu programmieren, dass ein umfassender Kernbereichsschutz gewährleistet ist. Nur im Nachhinein ist feststellbar, ob Informationen aus dem Kernbereich betroffen sind. Zu diesem Zeitpunkt ist der Grundrechtsverstoß dann jedoch bereits erfolgt. Der Staat sollte sich lieber auf die Bekämpfung der Computerkriminalität konzentrieren anstatt selbst die Internetsicherheit zu gefährden und damit das Vertrauen der Nutzer in die Sicherheit des Internets zu erschüttern. Auch gegen dieses Vorhaben geht die Freie Demokratisch Partei bislang viel zu zögerlich vor. Die Liberalen müssen öffentlich zeigen, dass Sie nach wie vor die Partei der Bürgerrechte sind.

Die Jungen Liberalen Berlin sprechen sich gegen eine flächendeckende Videoüberwachung im öffentlichen Raum aus. Die Videoüberwachung ist ein Instrument des Staates zur Ausforschung der Bürger und damit grundsätzlich abzulehnen. Zum einen ist die zweckgemäße Verwendung der Aufzeichnungen nicht immer sichergestellt. Denn hinter den Kameras sitzen stets fehlbare Menschen. Weiterhin beschränkt Videoüberwachung Menschen in ihrer Freiheit. In dem Moment, in dem ein Mensch gefilmt wird, ändert sich sein Verhalten.

Daher akzeptieren die Jungen Liberalen lediglich in eng begrenzten Ausnahmen die Anwendung von Überwachungsinstrumenten im öffentlichen Raum. Diese Ausnahmen bilden speziell und offensichtlich gekennzeichnete Bereiche des öffentlichen Raumes und in öffentlichen Gebäuden. Innerhalb dieser Bereiche muss es jedoch auch Bereiche geben, die unüberwacht genutzt werden können. So kann sichergestellt werden, dass jeder Bürger selbst entscheiden kann, ob er überwacht wird oder nicht, ohne das ihm daraus Nachteile entstehen. Somit können sich Bürger, die sich unter Überwachung sicherer vor Kriminalität fühlen, in überwachten Bereichen aufhalten, ohne dass alle Mitmenschen sich ebenfalls der Überwachung unterwerfen müssen. Da durch eine neue BVG-interne Studie bewiesen ist, dass die Einführung der Videoüberwachung im Bereich der BVG nicht zu mehr Sicherheit in den überwachten Bereichen geführt hat, ist die Videoaufzeichnung hier sofort einzustellen.

In jedem Falle sind vom Staat erhobene Daten nach 48 Stunden zu vernichten, sofern keine begründeten Anhaltspunkte für eine begangene Straftat in diesem Zeitraum bestehen. Weiterhin dürfen die Daten nur von der Landes- oder Bundespolizei erhoben werden und nicht an andere staatliche Behörden (BND, Finanzämter) oder gar private Stellen weiter gegeben werden. Wurden Ermittlungen aufgenommen und diesbezüglich Daten ausgewertet, sind diese nach Einstellung der Ermittlungen unverzüglich zu löschen.

Notwendige Maßnahmen

An Stelle des fortschreitenden Abbaus der Bürgerrechte muss die konsequente Anwendung geltendes Rechts treten. Die rechtlichen Möglichkeiten sind meist ausreichend, in vielen Bereichen gibt es jedoch erhebliche Vollzugsdefizite. Die Verhinderung dieser Missstände würde wesentlich mehr zur Terrorabwehr beitragen als der jetzt vorherrschende blinde Sicherheitsaktionismus.

Die deutschen und europäischen Sicherheitsbehörden müssen besser zusammenarbeiten und gewonnene Informationen schneller und effizienter untereinander austauschen. Dies würde zu einer erheblichen Effizienzsteigerung in der deutschen Gefahrenabwehr ohne die Notwendigkeit der Ausweitung von Befugnissen führen. Die Ausstattung der deutschen Sicherheitsbehörden muss aus Sicht der Jungen Liberalen sowohl in finanzieller als auch in personeller und technischer Hinsicht deutlich verbessert werden. Es darf nicht sein, dass deutsche Polizisten zur Kommunikation noch immer auf Sprechfunkgeräte aus den siebziger Jahren angewiesen sind. Die Tatsache, dass Deutschland neben Albanien das letzte Land in Europa ist, das noch keinen abhörsicheren digitalen Polizeifunk hat, ist beschämend.

Die Berliner Polizei muss vor allem personell besser ausgestattet werden. Die Zusammenlegungen von Polizeiabschnitten zu immer größeren und unübersichtlicheren Gebieten und die Schließungen von Polizeidirektionen muss gestoppt werden. Es darf keine „polizeifreien Zonen“ in Berlin geben, denn gerade in solchen Gebieten bilden sich schnell Keimzellen für Straftaten und auch für den Terrorismus. Die Jungen Liberalen sprechen sich auch dafür aus, in Migrationskreisen für den Polizeidienst zu werben, denn Polizisten mit Migrationshintergrund können für die Sicherheitsbehörden in Konfliktsituationen aufgrund ihres interkulturellen Wissens und ihrer Sprachkenntnisse überaus wertvoll sein.

Zusätzlich sind erhebliche Anstrengungen in der Integration und der Aufklärung zu unternehmen. Gerade in einer Stadt wie Berlin muss alles Mögliche versucht werden, um Parallelwelten zu verhindern und anti-westliche Strukturen aufzubrechen. Gegen so genannte Hassprediger in Neuköllner Hinterhofmoscheen ist mit allen Mitteln des Rechtsstaates vorzugehen. Der Dialog zwischen den Kulturen muss durch Aufklärung gefördert werden. Die Jungen Liberalen Berlin fordern dazu kostenlose Deutschsprachkurse für Mütter und den Einsatz von Sozialarbeitern mit Migrationshintergrund in allen Grundschulklassen in Bezirken mit hohem Anteil von nicht- deutschstämmigen Kindern. Wichtig ist ein ausreichendes Angebot für die Betreuung dieser Schüler am Nachmittag und eine gezielte Förderung von solchen moslemischen Gemeinschaften, die eine offene und tolerante Gesellschaft zum Ziel haben. Die Jungen Liberalen fordern weiter, alle Anstrengungen zu unternehmen, gerade Kindern aus so genannten Problemkiezen eine gute Schulausbildung zu ermöglichen.

Die Jungen Liberalen Berlin fordern aktives Handeln statt einfachem Geschehenlassen. Sicherheit im Sinne eines friedlichen Miteinanders, welches weder von gegenseitigem Hass noch von einer Kultur des Ignorierens geprägt ist, kann nur durch das aktive Mitgestalten und das Verständnis füreinander entstehen. Dabei müssen Staat und Bürger Hand in Hand zusammenarbeiten.