Ein Parlament der Profis, aber kein Volkskongress

Die repräsentative Demokratie ermöglicht gleichberechtigte politische Teilhabe und Willensbildung. Sie stellt, ergänzt durch direktdemokratische Elemente, die beste Möglichkeit dar, Entscheidungen für die gesamte Gesellschaft zu treffen. Eine Demokratie kann nie fertig sein, sondern muss sich ebenso wie die Gesellschaft, durch welche sie geprägt wird, weiterentwickeln. Eine repräsentative Demokratie muss dabei einen Ausgleich zwischen einer möglichst großen Repräsentation der Interessen der gesamten Bevölkerung auf der einen und der effizienten Arbeitsfähigkeit der Institutionen auf der anderen Seite abwägen. Die Repräsentanten sind Vertreter des Volkes.

Wir erkennen dabei an, dass es sinnvoll sein kann, dass diese Repräsentanten, neben ihrer Tätigkeit als Abgeordnete, einer weiteren Beschäftigung nachgehen. Als eine mögliche Form der Mandatsausübung kann ein Abgeordneter so eine breite gesellschaftliche Verankerung erreichen. Die Arbeit im Parlament sollte aber stets die Haupttätigkeit eines Volksvertreters darstellen.

Aus diesem Grund begrüßen wir die kürzlich beschlossene Reform des Berliner Abgeordnetengesetzes, mit dem aus dem bisherigen “Halbtagsparlament” ein “erweitertes Halbtagsparlament” wurde ausdrücklich. Für eine Stadt, mit mehr Einwohnern als der unteren Hälfte der Bundesländer, hielten wir jedoch ein echtes Vollzeitparlament für angemessen, wie es bereits in beinahe allen deutschen Bundesländern üblich ist.

Gleichzeitig stellt die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes für uns ein überragendes Prinzip der parlamentarischen Demokratie dar. Mehr Abgeordnete bedeuten nicht automatisch mehr Demokratie. Vielmehr bedarf es eines schlanken Parlamentes, dass sich mit den drängenden Gesellschaftsfragen beschäftigt, statt sich im Klein-Klein eines Stadtstaates zu verlieren.

Wir halten aus diesem Grund die derzeitige Größe von 160 Mitgliedern des Berliner Abgeordnetenhauses für ein Vollzeitparlament für zu hoch. Gerade im Vergleich mit anderen Bundesländern ähnlicher Größe erweist sich diese als überproportional hoch. Durch das Berliner Wahlrecht, dass mehr Direktmandate, als Listenmandate vorsieht, wird einer noch stärkeren Aufblähung des Landesparlamentes über die gesetzliche Zahl von 130 Abgeordneten Vorschub geleistet.

Die nun beschlossene Erhöhung der Diäten und Aufwertung des Abgeordnetenmandates kann für uns daher nur der erste Schritt in einer umfassenden Parlamentsreform sein. Wir fordern daher:

Das Abgeordnetenhaus muss zu einem echten Vollzeitparlament mit entsprechenden Mitteln für Mitarbeiter und Fraktionen ausgebaut werden.

Die Zahl der Mandate muss deutlich sinken. Statt bislang 78 Direktmandate in ganz Berlin soll künftig maximal die Hälfte aller Grundmandate über Wahlkreise bestimmt werden. Aktuell findet die Zuteilung der Wahlkreise allein aufgrund der Bevölkerungszahlen statt. Künftig soll sich die Wahlkreiseinteilung stärker an den gewachsenen Strukturen im Bezirk richten. Die Wahlkreise sollen in der Anzahl der Einwohner vergleichbar sein.

Das Berliner Abgeordnetenhaus ist ein Parlament für die gesamte Stadt. Über die Bezirksverordnetenversammlungen finden trotz gesamtberliner Verwaltung kommunalpolitische Fragestellungen Berücksichtigung. Die Wahlkreisabgeordneten haben darüber hinaus die Aufgabe, kiezspezifischeInteressen ins Parlament hineinzutragen. Es ist nicht ersichtlich, dass darüber hinaus eine noch stärkere Fokussierung auf die Berliner Bezirke in einem Berliner Gesamtparlament der harmonischen Weiterentwicklung der gesamten Stadt dienlich ist. Das Berliner Abgeordnetenhaus soll keine Kommunalpolitik betreiben, sondern die Aufgaben eines größeren Bundeslandes wahrnehmen. Alle über Listen gewählten Abgeordneten sollen künftig über Landeslisten gewählt werden. Die Möglichkeit zur Aufstellung von Bezirkslisten zur Wahl des Abgeordnetenhauses muss gestrichen werden.

Die Kompetenzverteilung zwischen Land und Bezirken muss einer umfassenden Evaluation unterzogen werden. Das Abgeordnetenhaus soll sich künftig auf die gesamtstädtischen Fragen fokussieren, während die Kompetenzen der Bezirke in lokalen Fragen ausgebaut werden müssen.